[197] Frankreich (Kunst). (Kunst.) Nur unter den segnenden Einflüssen des Friedens können die Künste emporblühen. Die Möglichkeit ihrer selbstständigen Entwickelung wird durch gewaltsame Ereignisse verhindert und ausgeschlossen. Durch die innigste Verschmelzung der Volkselemente allein kann jene charakteristische Einheit in der Ausbildung nationaler Kunst herbeigeführt werden, die man mit dem Namen einer Schule zu bezeichnen gewohnt ist. Wenn sich daher der Drang nach Darstellung und künstlerischem Ausdruck, wie in jedem lebhaften Geiste, so in jedem thatkräftigen Volke regt, so konnte doch Frankreich die Erhebung seiner Kunst zu der Unabhängigkeit einer Schule erst ziemlich spät wahrnehmen. Demnach sind die Epochen der Karolinger und der Normänner, wo sich fremde Einflüsse so bedeutend geltend machten, für die. Kunst unfruchtbar gewesen. Die Ausführung zierlicher Miniaturen von der Hand der Mönche ist die erste Spur einer französischen Malerei; es werden dergleichen auf Bibeln und Gebetbüchern in der pariser Bibliothek noch heute aufbewahrt. Eine erfreulichere Regung zeigte sich unter Ludwig VII., dessen Regierung das Aufkommen der Glas- und Emaillemalerei sah, und unter dem[197] heiligen Ludwig, der durch seine Kreuzzüge die erste Veranlassung zu bildlichen Darstellungen in Fresken gab. Viele Denkmäler in Fresken und auf Tapeten finden sich aus der Zeit Karl's V.; der König René war selbst Maler, und die folgenden Fürsten eröffneten durch das Glück ihrer Waffen die Verbindung mit Italien, dem Heimathlande der Kunst. Die Geschichte französischer Malerei beginnt mit Franz I.; obschon noch immer keine Namen zu nennen sind, so läuterte sich doch der Geschmack an trefflichen Mustern und erhob sich zu Freiheit und Selbstständigkeit. Andrea del Sarto wirkte am Hofe, Leonardo da Vinci starb in des Königs Armen, Benvenuto Cellini arbeitete für Franz I. Die Reihe berühmter französischer Maler eröffnet Jean Cousin, gest. 1590, dessen vorzüglichste Werke in zahlreichen Glasmalereien und einigen berühmten historischen Darstellungen bestehen. Er legte den Grund zu dem Museum und beschäftigte viele Schüler, deren Einer, Gobelin, später der bekannten Tapetenfabrik den Namen gab. Von Cousin's unmittelbaren Nachfolgern verdient Freminet, der sich nach Michel Angelo gebildet hatte, Erwähnung; er war Hofmaler Heinrich's IV., sein Meisterwerk ist die Decke der Kapelle zu Fontainebleau. Nach einer kränklichen Periode, wie sie die entarteten Zeiten unter Franz II. und Karl IX. nothwendig mit sich brachten, erhob sich Simon Vouet, gest 1641, der Stifter einer Schule, die sich durch richtige Würdigung der Antike und fleißiges Colorit auszeichnete und aus welcher später Lebrun, Lesueur, Mignard, du Fresnoy u. A. hervorgingen. Ungleich Größeres aber als Vouet leistete N. Poussin, gest. 1665, der französische Rafael genannt; erst neuerdings sind seine Werke, die, mehr erhaben als schimmernd, nicht genug anerkannt wurden, richtig und verdient gewürdigt; er war Frankreichs größter Meister. Von seinen Schülern ist Dughet zu nennen; vielen Ruhm erwarb Le Valentin, neben ihm glänzte Blanchard, der leider zu früh starb. In diese Zeit fällt die Gründung der Akademie der Malerei und Skulptur, 1648, und die [198] Blüthe des ersten Landschaftsmalers aller Zeiten, Claude Gelée (s. d.), Le Lorrain, gest. 1682. Viele glückliche Talente bildeten sich nach Guido Reni; Mignard le Romain, gest. 1695, führte für Ludwig XIV. die größte Freskomalerei Frankeichs, die Kuppel der Kirche Val de Grace, aus, und bahnte sich als Portraitmaler einen neuen rühmlichen Weg. Von den Meistern, die unter der langjährigen Regierung des kunstliebenden Ludwig's XIV. wirkten, überragen Lesueur, gest. 1655, und Lebrun, gest. 1690, alle Anderen. Des erstern Leben des h. Bruno auf 22 Bildern, und Lebrun's Familie des Darius vor Alexander sind unsterbliche Werke. Frankreich sah damals eine kurze Blüthe nationaler Kunst, die jedoch sehr bald fallen sollte. Coypel und Jouvenet zeichneten sich vortheilhaft aus, konnten aber den sinkenden Geschmack nicht aufrecht erhalten. Er erhielt den letzten Stoß durch Watteau und Huet. Grobe Unsittlichkeit beförderte das einreißende Verderben, es entstanden jene frivolen Darstellungen, jene schändlichen Malereien, die so unverkennbar den Stempel ihrer Zeit tragen. Wo eine Pompadour herrschte, da mußte das Schone, das Edle weit hinweg fliehen. Die Porzellanmalerei erreichte damals die Hohe ihrer Vollkommenheit, und Joseph Vernet, gest. 1789, der erste dieser Künstlerfamilie, machte sich durch seine musterhaften Seestücke berühmt. Er eröffnet die Reihe trefflicher neufranzösischer Maler, die mit achtungswerther Unterstützung reicher Kunstliebhaber, wie Graf Caylus u. A., eine neue, schöne Kunstära schufen. Greuze, gest. 1805, der Vater aller der zahllosen peintures de genre, die dem Charakter des Volks so innig entsprechen, Vien, der Reformator der Malerei, aus dessen Schülern später der Stifter der jetzigen Schule, David, hervorging, glänzten gleichzeitig. Die kaum angesetzten Blüthen wurden durch die Stürme der Revolution fast ganz abgestreift, indessen entflammten eben diese Stürme den Geist patriotischer Künstler; Girard, Vincent, C. Vernet der Sohn begannen sich auszuzeichnen. Sie alle übertraf David (s. d.), dessen[199] Schule sich von der altfranzösischen, so wie von den Nachahmern der Italiener unabhängig begründete. Unter David's Schülern verdienen Drouais und F. Gérard den ersten Rang, nächst ihnen thaten sich Ingres und Girodet rühmlich hervor. Eine zweite Schule stiftete Vincent, zu ihren Anhängern gehören Meynier, gest. 1832, und Thévenin; nach Regnault bildete sich der treffliche Guérin, dann Lefèvre und Menjaud; an der Spitze der französischen Akademie in Rom steht Horace Vernet. Neben ihm glänzen noch jetzt Thomas, Delaroche, Destouches und Lessore als Historienmaler, Granet, Laurent, Robert als Genremaler, Gudin, Regnier und Valenciennes als Landschaftsm. Auch viele Frauen haben sich mit Glück der Kunst geweiht. Als Schülerinnen David's sind Mad. Laville-Leroulx, Mad. Angelique, Mad Barbier-Valbonne ehrenvoll zu erwähnen. Regnault bildete die Talente der Damen Auzon, Romany, Lorimier, Benoit und Miraux; Mad Claudet zeichnet sich in Genrestücken und Mad. Kugler durch treffliche Emaillemalerei aus; die Damen Jacotot, Debon und Leduc liefern vorzügliche Arbeiten, auf Porzellan ausgeführt. Als berühmte lebende Kupferstecher nennen wir Bervic und Desnoyers. Die Lithographie blüht gleichfalls in Frankreich, weniger die neuaufgekommene Holzschneidekunst. Die französische Bildhauerkunst führt in ihrer Geschichte viele berühmte Namen auf; gehen wir auf die ältesten, nationalen Denkmäler zurück, so ist als eins der ersten die Statue der Jungfrau von Orleans in Rouen zu erwähnen. Franz I. befahl die Errichtung des bekannten Nymphenbrunnens auf dem Markte des Innocens zu Paris, I. Goujon vollendete die Arbeit 1559. Ein trefflicher Künstler I. von Boulogne wirkte fast nur in Italien; Schüler Michel Angelos, sind seine Statuen des Neptun, Jupiter Pluvius u. A. Zierden von Florenz geblieben. Tacca, Saraffin, Théodon, Marsy sind als vorzügliche Bildner zu nennen; Gérardon führte die Reiterstatue Ludwig's XIV. aus. Nach ihm erwarben Bouchardon, Lemoine, Pigalle durch meisterhafte Arbeiten[200] hohe Anerkennung Aus der neuesten Zeit ist nächst Chaudet, von dem das berliner Museum die Statue Napoleons besitzt, Houdon und Castellier anzuführen. Herrliche Arbeiten, zum großen Theil von David's (s. d.) Meisterhand, enthält der Kirchhof des Père Lachaise; neben David werden Lesueur und Bosio geschätzt. Die Napoleonssäule auf dem Platze Vendome ist nach E. Seurre's Skizze ausgeführt. Berühmte lebende Architekten sind Vendoyer und Labrouste. Wenden wir uns jetzt zu dem letzten Abschnitte dieser gedrängten Darstellung der Geschichte französischer Künste, zur Schauspielkunst. Wenn die Wichtigkeit des Theaters überhaupt in neuerer Zeit sich so gesteigert hat, daß ein noch mehr erhöhtes Interesse fast nicht denkbar, eine Verminderung desselben aber wohl sehr wahrscheinlich ist, so ist in Frankreich das Theater vor 150 Jahren schon Sache des Volkes geworden. Aus dem Gange seiner Bildung ist der Fortgang der gesammten gesellschaftlichen Zustande des Landes leicht abzuleiten. Der eigentliche Anfang der französischen Bühne ist 1598 mit der Gründung des Théatre français anzunehmen. Die Mysterien, welche bis dahin bestanden hatten, waren nur der äußern Form nach Schauspiele, und die Theilnahme an ihnen verlor sich schnell, als durch Richelieu's Bemühungen die spanische Literatur in Frankreich heimisch ward und die dramatische Dichtkunst in der folgenden Zeit jene Höhe erreichte, die bis vor wenigen Jahren als strenges Vorbild galt. Die Gesetze der Einheit von Zeit, Ort und Handlung wurden nicht nur als die festeste Norm befolgt, sondern sie dienten auch bei der Beurtheilung jedes tragischen Dichtwerks als Maßstab. Eine Verschmelzung dieser Nachahmung der antiken Muster mit dem Geiste der Nation finden wir bei den Heroen der französischen Tragödie Corneille (s. d) und Racine (s. d.). Diese beiden und Molière (s. d.), der Schöpfer des französischen Lustspiels, rissen die Bühne aus ihrer ersten Rohheit. Doch blieb immer eine Steifheit, ein geziertes, hochtrabendes Wesen zurück, das selbst Voltaire (s. d)[201] der dritte große Tragiker der Franzosen, nicht verdrängen konnte Erst die Revolution brachte die Darstellung zur Wirklichkeit zurück, und namentlich ist es Talma (s. d.), dem das Verdienst dieser Umwälzung gebührt. Gegen jene klassischen Vorbilder erhob sich in neuester Zeit die Schule der Romantiker, an deren Spitze Victor Hugo (s. d.) steht. Sie hat zwar die altfranzösische Tragödie nicht verdrängen können, behauptet aber doch siegreich ihren Platz neben ihr, und wie aus allen Kämpfen der Art, so wird auch hier ein vermittelndes Princip aus den Eigenthümlichkeiten beider Schulen ein gutes, erfreuliches Resultat schaffen. Als die glänzendsten Sterne seiner Bühne betrachtet Frankreich Lekain, Baron, Fleury, Molé, Talma, die Damen Gaussin (s. d.), Clairon (s. d.), Dumesnil (sd), Duchesnois (s. d.), Georges (s. d.). Vergl. d. Art. Pariser Theater. Ueber die Entwickelung und den Zustand der Oper vergl. d. Art. französische Musik; hierher gehören die Namen einer Fodor, Pasta (s. d.), Malibran (s. d.), Cinti (s. d.), der Schwestern Grisi (s. d.), ferner eines Garcia, Rubini, Lablache, David, u. A.
X.
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