Frankreich (Geographie)

[182] Frankreich (Geographie). (Geographie.) Frankreich ist theils Hochebene, theils Gebirgsland und in einigen Gegenden ebenes Tiefland. Nur niedere Bergreihen durchschneiden es in verschiedenen Richtungen,[182] aber im Süden und Osten bilden die Pyrenäen und Alpen, zugleich Grenzscheiden gegen Spanien, die Schweiz und Italien, die Formation des Hochgebirges. Hier allein gibt es Gletscher; die Vogesen und Sevennen dagegen sind meist bis zum Gipfel bewaldet. Im Norden grenzt es an Belgien und den Canal, der es von England's Kreidefelsenufern scheidet, westlich umfluthet es der atlantische Ocean und im Osten bildet der Rhein und einige kleine Staaten die Scheidegrenze vom übrigen Europa. Es ist ein völlig abgerundetes, zusammenhängendes, geschlossenes Land von 10,050 Quadrat Meilen mit 16,000,000 männlichen und 16,700,000 weiblichen Einwohnern, hat verhältnißmäßig wenig Wälder, ist aber reich an Flüssen, Bächen und Canälen, und besitzt, namentlich in den Pyrenäen und dem Juragebirge, romantische Bergpartieen und reizende Landschaften, wie das Campanerthal, Vaucluse etc. Klimatisch kann man Frankreich in drei Regionen theilen. Die nördliche ist im Sommer mäßig warm, im Winter ziemlich kalt; doch gedeiht hier viel Getreide und auf den Kreidefelsen der Champagne wächst jenes herrliche Rebenblut, der Lieblingstrank der Frauen, der König der Weine. In der mittleren Region herrscht ein stets heiterer Himmel vor, frisches Grün bedeckt Wiesen und Hügel, der Winter dauert nur zwei Monate, der Boden trägt Wein und Obst im Ueberfluß; bis Nantes und Brest hin gedeiht die Feige, der Lorbeer- und Erdbeerbaum im Freien. Im dritten und südlichsten Theile endlich tritt der Wanderer in einen Garten von Oliven- und Maulbeerbäumen und allen Arten Südfrüchte. Herrlich duftende Blumen bedecken Felder und Auen; in einigen Gegenden, z. B. bei Hyères, gleicht der Winter, 2–3 regnerische Wochen abgerechnet, einem beständigen Frühling. Der Himmel ist italisch, namentlich an den Küsten; im heißesten Sommer aber weht ein Südwind, ähnlich dem Sirocco, und erfüllt die Atmosphäre mit drückenden Flammen. Nur die Gebirgsgegenden dieser Region sind rauh und kalt. An Producten ist das[183] Land gesegnet; zwar liefert das Mineralreich wenig edle Metalle, aber viel Eisen (1,900,000 Ctnr. jährlich), Kupfer, Blei, Steinkohlen, verschiedene Edelsteine, Porzellanerden, die allbekannten französischen Flintensteine etc. Im Pflanzenreiche nennen wir vor Allem die edlen Weine, womit Frankreich einen großen Theil des nördlichen Europa's reichlich versorgt und dessen Ertrag jährlich ein Einkommen von 6 Millionen Francs abwirft. Die berühmtesten Sorten sind die Champagner-, Bordeaux- und Burgunderweine, wie nicht minder die feurigen Corsikaner. Aus den Gascognerweinen wird viel Cognac bereitet. Reichlich vorhanden ist Obst: Aepfel (woraus man Cider preßt), Kastanien (hiervon ganze Wälder in den Sevennen), Citronen, Apfelsinen, Orangen, Bergamotten, Limonien, Granatbäume; letztere namentlich im Süden, wo es sogar Eichen mit eßbaren Eicheln gibt. Merkwürdig ist noch der Waldkirschbaum, aus dessen Früchten das bekannte Kirschwasser bereitet wird. Noch erwähnen wir des Reichthums an Getreide und andern Feldfrüchten: Weizen, Roggen, Gerste, Mais, Spelt, Hirse, Krapp, Waid, Safran, Trüffeln, Champignons, Capern, Tabak, Lackmuspflanzen. In mehren südlichen Städten gibt es berühmte Blumenmärkte und über den Fluren der Durance und Garonne, wo die Mandelbäume blühen, ruht noch der heitere, tiefblaue Himmel der Troubadours. Die Quelle von Vaucluse spiegelte einst Laura's Bild und hörte Petrarka's Liebesseufzer; Toulouse feiert noch jetzt seine jeux floreaux und das Angedenken der schönen Clemence Isaure. Gleich gesegnet ist das Thierreich, besonders an Hausthieren, Geflügel, Wildpret, See- und Flußfischen; aber es gibt in vielen Gegenden auch noch Raubthiere: Wölfe in den meisten Waldgebirgen und Bären in den Alpen und Pyrenäen. Berühmt ist die Zucht des Seidenwurms im Süden, der Thunfisch- und Sardellenfang an den westlichen Küsten etc. Frankreich ist der Größe nach der vierte Staat Europa's, seine Land- und Seemacht beträchtlich, seine Bewohner sind kräftig, geistreich, feurig, tapfer, [184] gelehrig, aber auch unstätt und leicht aufzuregen. Sie nennen sich selbst: la grande nation, und in der That ist ihre Geschichte an Großthaten reich. Der Ackerbau blüht, die Industrie ist großartig, der Handel, unterstützt durch drei Meere, viele Ströme und Canäle, höchst ausgebreitet. Die Fabriken liefern vorzüglich Seiden-, Wollen, Baumwollen- und Leinwandwaaren, aber auch in großer Menge Mode- und Galanteriearbeiten in Gold, Silber, Stahl, Bronze, Porzellan, Glas, Leder. Berühmt sind die französischen Uhren und Spiegel, die verschiedenen Bijouterien und künstlichen Blumen, Tapeten etc. In der Mode beherrscht Paris ganz Europa, in der Geschmacksrichtung der Wissenschaften und Künste hat es der Welt schon oft den Impuls gegeben. Zahlreich sind Frankreichs Bildungsanstalten, wenn auch nicht auf der Stufe der Vollendung, wie jene Deutschlands. Fast jede bedeutende Stadt hat ihre Akademie; eine Art höherer Bildungsschule für die verschiedenen Fächer der Wissenschaften. Berühmt sind namentlich die Kunstschulen der Hauptstadt, die weiblichen Erziehungsanstalten, die Conservatorien, die Theater und Musikschulen etc. Besonders reich ist Paris an Kunstmuseen, Naturalien- und Raritätensammlungen, Gewerbvereinen etc. Eingetheilt wird das Land mit Einschluß Corsika's, in 86 Departements mit 1600 Städten, 1400 Marktflecken und 150–160,000 Dörfern. Durch Napoleon's Eroberungen erreichte Frankreich einen Umfang, wie es ihn seit Karl dem Großen nicht gehabt hatte. 1815 wurde es auf die alte Grenze von 1789 zurückgeführt. Die Religion der Mehrzahl der Einwohner ist die katholische, doch haben die zahlreichen Protestanten, Juden und Quäker freie Religionsübung und gleiche bürgerliche Rechte. Die sittliche und wissenschaftliche Bildung ist natürlich in den verschiedenen Departements auch verschieden; aufgeklärter ist der Norden; im Süden herrscht noch viel Aberglaube und Bigotterie, eben so steht der Landmann in der Bretagne gegen den deutschen noch um mehr als ein Jahrhundert zurück. Von welcher Wichtigkeit Frankreichs politische[185] Bedeutung ist, das haben die Kriege und Völkerstürme der letztern Zeit sattsam gezeigt. Zu einer Idee vereinigt ist das Volk ein weiterstürmender Riese und seine Hilfsquellen können unerschöpflich genannt werden.

4.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 4. [o.O.] 1835, S. 182-186.
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