Bengalen (Geographie)

[5] Bengalen (Geographie), die mächtigste und größte Präsidentschaft Englands in Ostindien, umfängt einen Flächenraum von nahe 16,000 Quadratmeilen, und hat gegen 60 Millionen Einwohner; Indier aus allen Kasten, Muhamedaner, Perser, Juden, Chinesen, welche sich des Handels wegen dort niederlassen, endlich auch einige Europäer, die Besitzer des Landes. Die Hauptstadt von Bengalen ist Calcutta (s. d). Das Land ist reich und üppig, gesegnet mit allen Schätzen, welche der tropische Himmel einem fruchtbaren Boden entlocken kann, bevölkert durch die edelsten, liebenswürdigsten, sanftmüthigsten Menschen – ohne welchen Charakterzug die Engländer über ein Land, von mehr als 200 Millionen bewohnt, nie hätten Herr werden können. – Ausgestattet mit Allem, was der sinnlichste Lebensgenuß nur erdenken und wünschen kann, wäre es ein Paradies, wenn nicht Europäer dasselbe betreten, und überall die schrecklichen Spuren ihres verderbenden Fußtrittes zurückgelassen hätten. Die malerischen Gegenden, obschon nicht so reizend als die Ghauts, welche die Küste Malabar krönen, und überall die Aussicht auf das warme freundliche Meer und die zahllosen Inseln bieten, sind im Norden von Bengalen, in den Garavgebirgen, (Zweige des Dhavalaghiri) zu suchen. Die Bewohner jenes Höhenzuges, weniger sanft als ihr Klima leben von Jagd und Viehzucht. Weiter herab, längs den Flüssen Kirschna, Ganga und Bramaputra, breiten sich die immer grünenden Fluren, die Zucker-, Baumwollen-, Indigo-, Reis-, Kaffee- und Cactus-Plantagen aus – dort blühen die wunderbarsten Gewächse, dort die thurmhohen Palmen, die blattlosen Casuarineen, von melancholisch düsterem Ansehen, mit weit herabhängenden Zweigen, wie unsere Thränenweiden; dort die gefiederten Tamarinden und die Banianenbäume – deren einer oft einen kleinen Wald bildet – dort ist der kluge Elephant und das gewaltige Nashorn zu Hause, denn ein unerschöpflicher Pflanzenreichthum bietet diesen ungeheuern Thieren nie mangelnde Nahrung; dort ist das Wild in solcher Menge, daß der[5] stolze Königstiger herdenweise sich findet, und sein beutegieriger Rachen stets von frischem Blute raucht – Büffel und Schafe sind der Milch wegen in großer Zahl gehegt; eben so die Ziege, um ihres kostbaren, feinen Haares willen, welches, von zarten Fingern, an elfenbeinerner Spindel gedreht, von fleißigen Webern verarbeitet – als Cashemir-Shawl (s. d.), zum sehnlichsten Wunsche der Europäerin wird. Die Berge bieten die edelsten Metalle, die seltensten Schmucksteine, Diamanten, Rubinen, Smaragden, die Meere die kostbarsten gelben, weißen und schwarzen Perlen dar, welche alle vielfältig benutzt werden, weil sich die Indier und die Muhamedaner gern mit Spangen, Ketten und Gehängen zieren. Leider hat dieser Segen die raubgierigen Asiaten und Europäer dahin gezogen, und des Landes Geschichte ist nur die, immerwährender Unterjochung durch fremde Tyrannen. – Bald waren es diese, bald jene Rajahs, theils aus benachbarten, theils aus weiter nördlich gelegenen Reichen, dann waren es Muhamedaner und Tataren, und endlich die Mongolen, welche sich der Länder bemächtigten. (1526) Seit dieser Zeit ist es eine Provinz des ungeheuern mongolischen Reiches geblieben, bis es 1756 unter die Oberherrschaft der Engländer kam. Der Menschenschlag ist überhaupt schön, vor Allem aber sind es die Frauen, welche eine eigenthümliche Anmuth und Zartheit des Körpers mit einer hohen Liebenswürdigkeit, und mit allen Reizen der Seele und des Gemüthes verbinden – in namenloser Hingebung sind sie dem geliebten Gegenstande eigen, und werfen sich voll Freuden in die Flammen, welche seinen Körper verzehren – mit eben so bewundernswürdiger Resignation opfern sie sich auch dem ungeliebten Gatten auf, aus reinem Pflichtgefühl. Unterrichtet in Allem, was den Mann erfreuen kann, in Gesang, Tanz und Spiel, in zierlicher Malerei und Stickerei, in der Kunst, ihre Reize frisch und neu zu erhalten, schmücken sie selbst ihren Geist gern mit allen Blüthen der Dichter des Orients, denn persische, arabische und indische Sprachen sind ihnen wohl bekannt, [6] und was die Philosophen und Poeten dieser Völker geschrieben, haben sie sich nicht nur oberflächlich zu eigen gemacht Sehr oft sind Ehen zwischen Europäern und Indierinnen geschlossen, und man hat nicht in Erfahrung gebracht, daß sie durch Schuld der Frauen unglücklich geworden wären, wohl aber weiß man von dem Gegentheil genug zu erzählen, da die Engländer, welche dort ihr Glück suchen, die zarten lieblichen Geschöpfe oft unwürdig behandeln.

V.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 2. Leipzig 1834, S. 5-7.
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