Bessarabien (Geographie)

[39] Bessarabien (Geographie), eine Provinz im südlichen Rußland, von 800 Quadrat Meilen, zwischen dem schwarzen Meere, Podolien, der Moldau und Siebenbürgen gelegen, ein wenig bevölkertes aber fruchtbares Land (man zählt auf dem großen Flächenraume nur 660,000 Menschen). Der Norden ist waldig, von Bergen und Hügeln durchzogen, der Süden eine große Ebene, eine Steppe, von Flüssen und Sümpfen durchschnitten, doch im Ganzen ein ergiebiger Boden. Die Wälder liefern Wildpret, die Ebenen Getreide und Gemüse, Obstfrüchte aller Art und namentlich vielen guten Wein, dessen Kultur immer im Steigen ist. 1826 wurden schon 50,000 Eimer gekeltert. Viel rother Wein wird auf Wermuth gegossen, [39] wodurch ein ungemein kräftiges und gesundes Getränk entsteht Die Viehzucht ist beträchtlich. Große Herden von Rindern, Pferden und Schafen weiden in den großen Ebenen. Die Fischerei ist sehr ergiebig, das Meer, die Seen und Ströme liefern Schildkröten, Krebse und Fische aller Art in Menge. Zahlloses Wassergeflügel belebt die stehenden Gewässer. Von Mineralien ist vorzüglich Salz reichhaltig vorhanden; doch bergen die fast gar nicht durchforschten Gebirge gewiß noch Schätze anderer Art. Die Bewohner waren früher Nomaden und haben sich erst unter russischer Hoheit an feste Wohnsitze gewöhnt. Jetzt gibt es 8 Städte, 16 Flecken und 1050 Dörfer. Die Bewohner sind Russen, Moldauer, Griechen, Juden, Armenier, Zigeuner. Unter diesen verschiedenen Einwohnern sind vorzüglich die Moldauer merkwürdig. – Das weibliche Geschlecht ist durch seine Schönheit ausgezeichnet und in der Regel fleißiger als das männliche. Die Frauen verfertigen ihre und ihrer Männer Kleidungsstücke selbst. Reinlichkeit in der Wohnung wie in der Kleidung zeichnet sie bis zum ärmsten Bauerweibe hinab aus. Ihre Kleidung ist malerisch und reizend. Im Sommer tragen sie ein blendend weißes, enges, mit farbigen Streifen und Stickereien verziertes Hemd, das bis an die Knöchel reicht und über den Hüften von einem leichten Gürtel gehalten wird. Den Kopf bedeckt ein weißes Tuch und den Unterrock vertritt eine schwarze wollene gestreifte Schürze, welche oft von einem hellrothen Gürtel umschlungen wird. Die Kopfbedeckung ist geschmackvoll gestickt und gewöhnlich das Meisterwerk ihrer eigenen Kunstfertigkeit. Sie wissen es sehr geschmackvoll über dem Scheitel zu falten. Die Wohlhabendern ziehen über das Hemde noch einen kurzen Talar von heller Seide, mit weiten Aermeln und Pelzwerk verbrämt. Bei kalter Witterung tragen sie eine Art Weste von hellem Seidenstoff ohne Aermel um die Brust, im Winter aber einen häßlichen Schafpelz, der sie entstellt. Die Frauen der höhern Stände (der Bojaren) kleiden sich französisch,[40] die Männer aber behalten ihre orientalische, prachtvolle Nationaltracht. – Die Hauptstadt ist Kischenew, liegt am Byk, ist schön gebaut, hat ein Gymnasium, einen Krongarten, drei prächtige marmorne Springbrunnen und gegen 20,000 Einwohner.

–n.

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Damen Conversations Lexikon, Band 2. Leipzig 1834, S. 39-41.
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