Asien (Geographie)

[318] Asien (Geographie). Geographie. Asien wird im Norden vom Eismeer, im Westen von Europa, dem schwarzen, mittelländischen und rothen Meere, im Süden vom indischen Ocean, im Osten von der Südsee, und der Beeringsstraße begränzt. Es hat einen Flächenraum von 800,000 Quadrat Meilen, ist der größte Welttheil der östlichen Halbkugel und trägt auch den größten Gebirgsstock, Hymalaja. Es umfaßt alle Länder, welche ehemals das Gebiet der Wunder und des Fabelhaften ausmachten; Vorder- und Hinderindien, Persien, Arabien, Tibet, China, Siam, Japan, Cochinchina, Tunkin, Malakka, Armenien, Kurdistan, Syrien, Natolien, Kaschemir, den ganzen Kaukasus, das Land der Tungusen und Tataren, Mongolen und Bulgaren, Cirkassien und Georgien (die Länder der schönen Frauen, deren Ruhm über den ganzen Erdball verbreitet ist,) Kasan, Astrachan, das ungeheure Sibirien, Kamtschatka etc. Bei dieser Ausdehnung von den Gränzen des ewigen Schnees bis unter die Gluthen der Tropenregion, konnte die Natur alle Schätze austheilen, welche ihr immer reiches, nie erschöpftes Füllhorn sonst nur einzeln verschenkt. Der Norden liefert kostbare Pelze, welche zu Tausenden nach Gegenden, wo man ihrer nicht bedarf und wo[318] sie nur zum Schmucke dienen, versendet werden. Den mittleren Regionen spendete sie köstliche Wein- und Obstsorten, treffliche Gartenfrüchte, mehlreiche Gräser, Getreide, die wunderbarsten Blumen und die Blüthe der Schöpfung selbst, den Menschen und das Weib in seiner höchsten, reinsten Vollendung, dessen Gestalt vollkommenes Ebenmaß mit der reizendsten Fülle paart. Schon die Namen dieses mittleren gemäßigten Theiles von Asien sind Poesie, sind Musik; Kaschmir, Khorassan, Damaskus, Libanon, Angora, Babylon, Palmyra etc. Doch wer vermöchte auch nur in den leichtesten Umrissen zu beschreiben, was die Götter mit freigebigen Händen über dieses Paradies gestreut! Weiter im Süden kocht die Sonne heilende Balsame und köstliche Gewürze, verkörpertes Feuer aus dem Safte der Pflanzen. Bon dem kleinsten Insekte, daß die feinste Seide spinnt, bis zu dem riesigen Elephanten, der alle Thiere an ungeheurer Größe überragt, ist dieser Erdtheil bevölkert, wie kein anderer. Alle Metalle, alle edlen Steine, vom reinsten Diamant bis zu den gewöhnlichsten Schmucksteinen, sind ausgesäet über Asien. Man findet im Ural so gutes und seines Gold, wie in Visapour. – All' den Reichthum einzeln aufzuzählen, ist fast unmöglich; man kann nur Namen geben: Palmen, Pisang, Mangustine, Mango, Amra, Muskat, Zimmet, Nelken; von Thieren: Löwen, Tieger, Schakals, Rhinoceros, Kameele, Dromedare, Pferde, Büffel, Kaschemirziegen, Antilopen, Affen, Paradiesvögel, Pfauen, Papageien, Königsvögel, Pelikane etc. Doch was kann man bei den bloßen Namen denken, wenn man nicht die Pracht des Gefieders, die Schönheit und Stärke dieser Thiere; wenn man nicht die unnachahmliche Zierlichkeit dieser Pflanzen, den Wunderbau ihrer Blumen, den ambrosischen Geschmack ihrer Früchte kennt!? – Auf diesem ungeheuern Raume wohnen über 500 Millionen Menschen, nach den verschiedensten Richtungen vertheilt; überreich mit Allem begabt, was das ungenügsamste Herz nur wünschen kann, oder wieder stiefmütterlich[319] verstoßen, verwiesen in dürre Sand-, oder kalte Eiswüsten. – Im Norden Asiens, bis gegen die Mitte des großen Festlandes wohnen nur Nomaden, theils ruhige, ihre Herden von einem Weideplatz zum andern treibende Hirten, theils gewaltige, kriegerische Völker, welche vor Jahrhunderten nach allen vier Winden ihre verwüstenden Eroberungszüge aussandten; die Hunnen, Tataren, Mongolen, Alanen, Gothen durchzogen alle drei Welttheile und unterwarfen sich Rom, Gallien, Spanien, Afrika (die Nordküste) Persien, Indien und China. Im Süden unter einem glücklichen, ewig heitern Himmelsstriche lebten gelehrte, kunstfleißige, gebildete Menschen nicht für des Krieges rauhes Handwerk geschaffen, also leicht von den Arabern, Persern, und Türken bezwungen. Dort oben bei den feurigen, muthigen Völkern war eine völlige Gleichheit aller Stände. Nur der Heerführer hatte im Kriege, in der Schlacht Ansehen und hohe Gewalt. Hier im Süden herrschte ein auffallender Ständeunterschied, durch die stille, aber unwiderstehliche Gewalt der Braminen, Magier, Priester und durch den Glanz der Herrscherhäuser eingeführt. Ein unbedingter Gehorsam gegen den Höhern auf der einen, unumschränkte Macht über den Niedern auf der andern Seite, war die Folge, und es haben sich diese Verhältnisse bis zum heutigen Tage erhalten. Dieß hat die verschiedenen Völker auch so von einander getrennt, daß sich beinahe nichts Allgemeines über sie sagen läßt. Um so viel interessanter ist es, die einzelnen Völker, deren vornehmste bereits genannt worden sind, zu betrachten. Hier finden sich so auffallende, originelle Züge, daß man sowohl die gänzliche Verschiedenheit der Gattungen, als auch die außerordentlich abweichenden Bildungsstufen, auf denen sie stehen, mit dem ersten Blicke erkennt, was in ganz Europa z. B nicht der Fall ist. Die kaukasische Menschenrace hat sich zwar durch Araber und Perser über ganz Asien verbreitet, doch ist sie bei Weitem minder zahlreich, als die mongolische und malaiische, welche fast ganz Asien, sogar auch einen Theil von Indien[320] einnehmen. Nordasien liefert nur Naturprodukte, Metalle, Pelzwerke, einige Medikamente, Holz; der Süden dagegen Werke des bewundernswürdigsten Kunstfleißes: Musseline von einer Feinheit des Gespinnstes, welche noch keine Maschine zu erreichen im Stande ist; Gold und Juwelirarbeiten von der höchsten Zierlichkeit, gefärbte Stoffe (Nankins, seidne Hals- und Taschentücher etc.) von unnachahmlicher Farbenpracht; Lackwaaren und zierliche Flechtwerke, Elfenbeinschnitzereien und vorzügliche Stahlwaaren, gestickte Zeuge und buntgewebte wollene Tücher etc., Alles so vollendet, daß die weit voran geschrittenen Europäer sie noch immer dreitausend Meilen weit herholen, um sie auf ihre Märkte zu bringen.

V.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 1. Leipzig 1834, S. 318-321.
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