Asien (Geschichte)

[321] Asien (Geschichte). Geschichte. Asien ist die Wiege des Menschengeschlechts. Von Osten, aus dem Schooße dieses ungeheuern Welttheils, ist alles Licht und Leben des Menschen ausgegangen, wie täglich von Osten die Sonne ausgeht, Licht und Leben über die Welt zu bringen. Wie der Sage nach das Menschengeschlecht in Asien entstanden ist, und von da alle Völker ausgewandert sind und sich über die Erde verbreitet haben, so sind in Asien alle Religionen entstanden, von da ausgegangen und haben die Erde in Besitz genommen. Alle Geschichte wurzelt in Asien, dort ist Wiege und Sarg der größten, gebildeten Völker, für welche die Geschichte kein Gedächtniß und die Welt nur unerklärliche Erinnerungen durch ungeheure, von Kunst und Pracht, im kolossalsten Stile, zeugende Ruinen großer Städte hat. Heilige, tiefbedeutungsvolle Sagen begegnen dem Wandrer bei jedem Schritte auf diesem geweiheten, klassischen Boden. Da die erste Dämmerung der Geschichte in Asien anbricht, so ist die ganze alte Geschichte der Völker und Reiche der Erde fast nur die frühere Geschichte Asiens. Hochasien ist der Ausgangspunkt des Menschengeschlechts und seiner Kultur und die treffliche Lage dieses großen Plateaus bestätigt die dunkeln Aussprüche der Sage und frühesten Geschichte. – Der Name Asien ist uns von[321] den Griechen überliefert worden, die ihn jedenfalls von den Phöniciern oder einem andern vorderasiatischen Volke überkommen haben, und er scheint mit den Asen (nordischen Göttern) Einen Ursprung zu haben. Zuerst hat er nur Kleinasien oder Natolien gegolten und ist später allmälig auf dem ganzen Erdtheil ausgebreitet worden. – Von der geschichtlichen Entwicklung des asiatischen Völkerlebens wissen wir nichts; es treten gleich fertige und hochkultivirte Reiche in unsrer Geschichte auf, und die staunende Kindheit dieser Geschichte erzählt natürlich fabelhafte Dinge von dem schon reisen Mannesalter jener Staaten. Da sehen wir gleich Reiche von ungeheurer Ausdehnung, hören vom Reichthum Assyriens, und die mythisch ausgeschmückten Namen eines Ninus, einer mächtigen Semiramis, eines Ninyas und Sardanapal strahlen wie Halbgötter aus dem Sagendunkel hervor; wir hören von einer ungeheuren medischen, von einer babylonischen Monarchie, wir sehen Nimrod und den babylonischen Thurmbau, aber Alles ist in morgenröthliches Zwielicht der Sage gehüllt, und Assyrer, Meder, Babylonier waren gewiß nicht einzelne Völker, sondern Collectivnamen großer und vieler Herrschervölker, erobernder Kriegs- und Nomadenscharen am Euphrat und Tigris bis zum Indus. Unter Nebukadnezar (604–561 v. Ch.) war die glänzende Periode des babylonisch-chaldäischen Reichs; er eroberte Phönicien, Alttyrus und Jerusalem. Das medische Reich blühete unter Kyaxares 595. Diese Reiche wurden vom persischen unter dem Eroberer Cyrus verschlungen 560. Gleiches Schicksal hatten alle Reiche Vorderasiens, unter welchen das früher schon untergegangene trojanische, das phrygische und lydische vorzüglich genannt werden. Lydiens letzter und berühmtester König war der reiche und dann vom Cyrus besiegte unglückliche Krösus. Die Geschichte des trojanischen Reichs in Kleinasien ist eine nur durch Dichter erhaltene Sagengeschichte, und der Untergang desselben (wahrscheinlich 1190 v. Ch.) ist durch Homer's unsterbliche Gesänge verewigt worden. Wichtige Völker[322] Vorderasiens waren noch 1) die Phönicier, ein Handelsvolk in einzelnen, von einander unabhängigen Städten mit Königen, welche Colonien an der Nordküste Afrika's (Karthago, Utika, Adrumetum), der Südküste Spaniens (Gades, Carteja, Tartessus,) und der Nordwestküste Siciliens (Panormus, Lilybäum) anlegten; sie umschifften Afrika und kamen auch nach Britannien und Norddeutschlands Küste, um Zinn und Bernstein zu holen. 2) die Syrer, abermals in einzelnen, von einander unabhängigen Städten mit Königen; 3) die Juden, die aus einem Nomadenvolk eine cultivirte Monarchie wurden, welche sich aber nach der glänzenden Periode der Könige David und Salomon in zwei Reiche zertheilte, in Juda und Israel. – Der mächtige persische Staat wurde unter Darius III. Codomannus vom Macedonier Alexander dem Großen unterjocht. Nach dem Tode desselben zerfiel sein ungeheures Reich, und es entstand ein syrisches unter den Seleuciden, ein Reich von Pergamus, von Rhodus, von Bithynien, von Paphlagonien, von Pontus, von Kappadocien, von Armenien, dann das große parthische oder das Reich der Arsaciden und das baltrische Reich. Alle diese Reiche Asiens verschlang endlich die mächtige Römerherrschaft, welche römische Provinzen aus ihnen machte und sie von geldgierigen Statthaltern aussaugen ließ. Am längsten hielt sich das Reich der Parther, und aus ihm ging 226 n. Ch. das neupersische oder das Reich der Sassaniden hervor. – Bei der Trennung des Römerreichs in das abend- und morgenländische Kaiserthum 395 n. Ch. wurden alle asiatische Provinzen dem letztern zuertheilt. Nicht lange darauf brachen aus dem bis jetzt unbekannt gebliebenen Nordasien wilde Jäger- und Nomadenvölker hervor und überzogen als kriegerische Horden Asien und Europa, unterjochten die Länder und machten 476 n. Ch. dem abendländischen Römerreich ein Ende. Es waren Avaren, Bulgaren, Hunnen, Magyaren und andre Völker, und man bezeichnet die Zeit ihrer kriegerischen Thätigkeit mit dem Namen der großen [323] Völkerwanderung (s. d.). 200 Jahre später brachen die bis jetzt ruhigen Araber hervor und eroberten einen großen Theil von Asien, Afrika und Europa. Das Khalifat wurde, nachdem es drei Jahrhunderte zuvor in sich selbst zerfallen war, im 13. Jahrhunderte von den Mogolen völlig aufgelös't, die als wilde Eroberer aus Hochasien nach allen Welttheilen verheerend herabstürzten. Unter Temudschin, genannt Dschingishan, d. i. Herr aller Herren, warfen die Mogolenhorden mit Mordgeschrei und Waffengeklirr Throne um, unterjochten Völker und Länder, machten Dynastien ein Ende; ganz Asien erlitt durch sie eine politische Umwälzung. Batu, sein Bruderssohn, schlug ein deutsches Heer bei Liegnitz (1241) und machte Europa zittern. Unfälle bewirkten seine Umkehr. Die mogolische Weltherrschaft kam in Verfall und das Großkhanat lös'te sich hundert Jahre später in vier selbstständige mogolische Staaten auf. Im 14. Jahrhundert bewirkte Timur die Wiedergeburt des mogolischen Reichs und der sogenannten Weltherrschaft; seine Eroberungen erstreckten sich von der Wolga bis an den Ganges. Nach seinem Tode zerfiel das Reich abermals in kleine Theile. Der Timuride Babur stiftete das Reich des Groß-Mogols in Indien. – So wie im 12. und 13. Jahrhunderte Scharen europäischer Krieger Kleinasien und Syrien aus Religionseifer, um das Grab Christi zu erobern, beunruhigt hatten (s. Kreuzzüge), so bedroheten zu Ende des 14. Jahrhunderts neue asiatische Kriegsvölker Europa, die Tataren und die osmanischen Türken. Das morgenländische Römerreich sank unter ihren Schwertern, die Länder des Bosporus und Griechenland mußten ihnen unterthan werden, und durch die Eroberung von Konstantinopel (1453) gewannen sie festen Sitz in Europa. Seit dieser Zeit hat sich Asien innerlich beruhigt; es liegt im ohnmächtigen Starrkrampf. Rußland hat sich seitdem das nördliche Sibirien unterworfen, England das südliche Indien (seit 1750 Reich am Ganges); Holländer, Spanier, Franzosen und Dänen haben in Ostindien Sitz genommen, von dessen[324] früherer Geschichte nicht viel zu sagen ist (s. Ostindien). Eben so wenig läßt sich von der Geschichte des ungeheuern Reiches der Chinesen (besser Sinesen), einer seit den frühesten Zeiten starr despotischen Monarchie, berichten. Künste und Wissenschaften haben hier seit undenklichen Zeiten in festen Formen vegetirt, eine Dynastie ist der andern gefolgt, nichts Großes ist geschehen, und mit dem widerlichsten Eigensinne schließt sich dieser große Staat so strenge von der übrigen Welt ab, daß man wirklich die Energie dieses Eigensinns durch Jahrtausende bis in die neuesten Zeiten bewundern muß. So ist uns das chinesische Reich immer noch ein verschlossenes Buch, und das Wenige, was aus seiner Geschichte bekannt geworden, hat wenig Interessantes für uns. (S. China.)

St.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 1. Leipzig 1834, S. 321-325.
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