Obst

[467] Obst, diejenigen Früchte, welche theils auf Bäumen, Sträuchen und Büschen, theils, wie die Erdbeeren, dicht an der Erde wachsen; eins der einfachsten und gesündesten Nahrungsmittel, das der Mensch ohne vorherige Zubereitung genießen kann. In jenen glücklichen Ländern, wo Frühling und Sommer ununterbrochen herrschen, wo Blüthe und Frucht den Baum zu gleicher Zeit schmücken, und die edelsten Sorten den Bewohnern ohne Mühe und Arbeit zuwachsen, dient das Obst nicht allein zur Erquickung und zum Wohlschmacke, wie bei uns, sondern häufig auch zur Sättigung, als ordentliches Nahrungsmittel, und bedarf weder einer besondern Sorgfalt und Pflege, noch wegen des nie ausbleibenden Segens der Aufbewahrung für kärglichere Zeiten. In kältern Himmelsstrichen dagegen, wo die Erzeugung des Obstes wesentlich durch die Kultur befördert werden muß, wo besonders günstiges Wetter zum Gedeihen und Reisen der Früchte erforderlich ist, und ein gutes Jahr oft mehrere schlechte übertragen muß, sucht man die Dauer des Obstes zu verlängern, und auf mancherlei Weise vor dem Verderben zu schützen. Aepfel, Birnen, Weintrauben, Quitten etc. lassen sich, vor der Kälte gesichert, den ganzen Winter hindurch im frischen Zustande erhalten. Außerdem werden die beiden[467] erstern Sorten, nebst Pflaumen und Kirschen im Backofen, oder in der Sonne getrocknet und halten sich in diesem Zustande mehrere Jahre. Eingemacht und eingekocht lassen sich manche Obstgattungen ebenfalls jahrelang aufbewahren, und fast bei keiner einzigen ist der Mensch auf die kurze Zeit ihrer Reise allein beschränkt. Die Obstbaumkundeo der Pomologie, ein Theil der Botanik, die Wissenschaft, welche sich mit der Kenntniß der verschiedenen Obstsorten, deren Erzeugung und Fortpflanzung beschäftigt, ist fast so alt wie die Welt. Früher als die Obstkunde war die Obstbaumzucht in Europa ausgebildet. Schon die Römer brachten von ihren Kriegszügen aus wärmern Gegenden verschiedene Fruchtbäume mit, die sie bei sich zu kultiviren strebten. Virgil ertheilte seinen Landsleuten zuerst Unterricht in der Obstbaumzucht, die sich sehr lange bloß auf Italiens warmen Himmel erstreckte, nach Galliens Eroberung aber auch dorthin gelangte. Die Einwohner von Paris verstanden (nach Juvenal) schon unter Constantin dem Großen die Kunst, ihre Feigenbäume und Weinstöcke vor dem Winterfroste zu schützen und schöne Früchte zu ziehen. In unserm lieben Deutschland wurde der Obstbau erst spät bekannt. Karl der Große begründete ihn zuerst gesetzlich durch den Befehl, Obstbaumanpflanzungen in den kaiserlichen Gärten anzulegen. Später beförderten die Züge deutscher Kaiser nach Rom und die Kreuzzüge den Anbau des Obstes in unserm Vaterlande, so daß im 16. Jahrhunderte schon große Obstgärten in Augsburg, Ulm und Nürnberg entstanden; doch blieb die Kultur noch auf einer niedern Stufe, bis die feinern französischen Sorten, bekannt unter dem Namen Franzobst, aus Paris zu uns gelangten. Seitdem bemühen sich die Deutschen gleichen Schritt in der Obstkultur mit andern Völkern zu halten, und mancher, früher bei uns unbekannte Obstbaum, ist durch Kunst, Wartung und Pflege einheimisch geworden. Die systematische Eintheilung der verschiedenen Obstarten in Familien, Ordnungen und Gattungen stammt jedoch aus neuerer Zeit und[468] leidet noch jetzt mancherlei Veränderungen, je nach den verschiedenen Ansichten der Pomologen. Die zweckmäßigste ist unstreitig die vom Gesichtspunkte der Benutzung hergeleitete Eintheilung, welche dreierlei Arten: Tafelobst, Wirthschaftsobst und Handelsobst feststellt. Zu ersterer gehören diejenigen Sorten, die sich durch ihr äußeres Ansehen, so wie durch ihren seinen Geschmack zum Aufstellen auf eine Tafel, oder überhaupt zum Genusse im frischen Zustande eignen. Wirthschaftsobst bezeichnet solche Gattungen, die sich besonders zum Kochen, Trocknen, Einmachen, Kuchenbacken etc. qualificiren; und endlich Handelsobst nennt man, was theils zur Fabrikation des Weins und Syrups, theils zum Verschicken (sowohl roh als getrocknet), z. B. französische Rainetten, Borsdorfer Aepfel, Katharinenpflaumen etc., benutzt wird. Fast alle Obstsorten sind aus andern Ländern zu uns verpflanzt worden, so die Kirschen und die Lambertsnüsse aus dem Pontus, die Citronen aus Medien, die Kastanien von Castana in Kleinasien, die Pfirsichen und Wallnüsse aus Persien, die Pflaumen aus Syrien, die Granatäpfel von Cypern, die Quitten aus Ceylon und die Oliven und Feigen aus Griechenland, wo sich auch die besten Aepfel und Birnen finden. Zum Genuß sind unter den Steinfrüchten vorzüglich Kirschen und Pflaumen zu empfehlen, dagegen Aepfel und Birnen das gesündeste Kernobst sind. Weintrauben enthalten vielen Schleim und innig damit gemischten Zuckerstoff, deßhalb sie auch nährender, leichter verdaulich und gesünder als vieles andere Obst sind.

L. M.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 7. [o.O.] 1836, S. 467-469.
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