Handelsschule

[949] Handelsschule (Handelsakademie, Handelslehranstalt), eine Lehranstalt, welche ausschließlich eine gründliche u. umfassende kaufmännische Bildung bezweckt. Sie beschränkt sich daher auf diejenigen Wissenschaften, Sprachen u. Fertigkeiten, welche der gebildete Kaufmann in seinem Wirkungskreise nöthig hat. Gewöhnlich sind mit den eigentlichen Handelsfächern, zu welchen kaufmännisches Rechnen, Waarenkunde, Buchhaltung, Correspondenz, Handelskunde u. Handelsgesetzgebung gehört, die Naturwissenschaften, deren praktische Anwendung in den mannigfachen Fabrikanstalten unerläßlich ist, verbunden, insbesondere die Chemie. Die neueren Sprachen, vor allen Französisch u. Englisch, bilden gleicherweise einen Hauptbestandtheil des Unterrichtes in der H., welcher durch die gründliche Behandlung der Geographie u. Statistik, der Handelsgeschichte u. der Nationalökonomie seine Abrundung erhält. Die H-n zerfallen in drei Klassen: die niederen, mittleren u. höheren H- u. Die niederen H-n haben mehr den kleineren Geschäftsmann im Auge u. sind theils Sonntagsschulen für Handlungslehrlinge, theils Privatschulen an kleineren gewerbreichen Orten, wie in Sachsen u. dem südlichen Deutschland; die mittleren H-n bezwecken eine höhere, umfassendere Vorbereitung derjenigen Jünglinge, welche die nöthige allgemeine Bildung besitzen u. sich irgend einem Zweige des Handels od. des Fabrikwesens widmen wollen, sie bestehen ebenfalls in Sachsen, dem südlichen Deutschland u. in Baiern, theils als selbständige Anstalten, theils als besondere Abtheilungen anderer gewerblichen Lehranstalten. Zu den ersteren gehören vor allem die H. in Dresden (seit 1854), in Gotha (seit 1817), in Chemnitz, Nürnberg u. Berlin; zu den letzteren dagegen die commerciellen Abtheilungen der Gewerbeschulen in Württemberg, Baden u. Baiern. Als Übergang von den mittleren zu den höheren H-n ist die im Jahre 1831 gegründete Handelslehranstalt in Leipzig zu betrachten, welche unter Schiebe einen großen Ruf genoß. Die Idee zu einer höheren H. od. Handelsakademie hat zuerst der Vater der H-n u. der Handelswissenschaft, Professor Büsch, in Hamburg im Jahre 1786 zu verwirklichen gewußt; die von ihm mit Ebeling gegründete u. geleitete Handelsakademie war eine Art Hochschule, welche nicht allein auf Hamburg, sondern auf den gesammten deutschen Handelsstand segensreich gewirkt hat. Mit dem Tode ihres Gründers schwand auch ihre Lebensfähigkeit. Die nach ihr in Hamburg u. Lübeck entstandenen H-n sind mehr praktische Handelsakademien (Privatanstalten), in welchen auf die theoretische Bildung weniger Rücksicht genommen wird. Die erste Anstalt, welche in neuerer Zeit als höhere Handelslehranstalt auftrat, ist das 1852 gegründete Institut supérieur de commerce Antwerpen, in welcher neben der volkswirthschaftlichen Bildung die neueren Sprachen geübt u. die Handelsfächer in einem eigenen Comptoir praktisch durchgearbeitet werden. Nach dieser bildete sich im Jahre 1856 die höhere Handelslehranstalt in Prag, organisirt von ihrem jetzigen Director Karl Arenz. Das rasche Aufblühen dieser Anstalt ermuthigte den österreichischen Handelsstand im Jahre 1858 eine ähnliche in Wien u. in Pesth zu gründen. Die Prager höhere Handelslehranstalt besteht aus einem dreijährigen Cursus u. einer Vorschule für solche Jünglinge, welche die zur Aufnahme in die Handelslehranstalt erforderlichen Vorkenntnisse noch nicht besitzen. Neben den ordentlichen Schülern werden auch Hospitanten für einzelne Lehrgegenstände zugelassen.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 7. Altenburg 1859, S. 949.
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