Lappen

[279] Lappen. Das nördliche Norwegen, Schweden und Rußland,[279] der jetzige Wohnsitz dieses Volkes, scheint demselben nicht ursprünglich angehört zu haben, und es ist mehr als wahrscheinlich, daß es früher weiter südlich wohnte und nur von einem mächtigen Volke, welches aus Asien herauf zog, nach dem Norden gedrängt wurde. Die Lappen, sehr klein von Statur, selten über vier Fuß hoch, sind von sehr seinem, proportionirtem Körperbau. Sie theilen sich ihrer Hauptbeschäftigung nach in Rennthier- und Seelappen, auch Gebirgs- oder Jagd- und Fischerlappen genannt. Letztere leben ganz allein vom Fange der Seehunde, welche ihnen alle Bedürfnisse liefern, indem sie das Fleisch essen, den Thran trinken, aus den Fellen Kleider und Kähne, aus den Sehnen Zwirn und Bindfaden, aus den Knochen und Zähnen Pfeilspitzen und Wurfspieße etc. machen, im Uebrigen aber den Frauen und Kindern überlassen, mit Angel oder Netz Seefische zu fangen, welche während des kurzen, aber sehr heißen Sommers getrocknet, geräuchert und im Winterstatt des Brodes genossen werden. Mannichfaltiger ist die Lebensart der Rennthierlappen. Diese treiben hauptsächlich Viehzucht und Jagd, doch auch in den südlichen und mittleren Theilen des Landes etwas Getreidebau. Das wichtigste Geschenk ihres sonst armen Landes ist das Rennthier, welches sie in Heerden oft von tausend und mehr Stück gezähmt zum Hausthier gemacht haben. Seine Milch, sein Fleisch, sein Blut dient ihnen zur Nahrung, das letzte mit sein gemahlener Birkenrinde vermischt und gebacken, während des größten Theiles des Winters als Brod. Aus dem Felle werden alle Kleidungsstücke verfertigt, die Knochen geben Nadeln, die Sehnen Faden, die großen dehnbaren Eingeweide Fensterscheiben, die Hufe Trinkgeschirre etc. Ueberdieß gibt es in den Gebirgen und den ungeheuern Wäldern viel Wild, welches sie mit Pfeil und Bogen oder mit dem Wurfspeer erlegen und so in der Regel vor Noth geschützt sind. Man schlagt die Zahl sämmtlicher Lappen auf 20,000 an, welche auf einem großen Raume zerstreut leben. In den südlichen Theilen des Landes wird es schon[280] während des Mai, Juni und Juli beinahe gar nicht Nacht, und am längsten Tage geht die Sonne nicht unter, im nördlichsten Theile aber bleibt sie volle drei Monate über dem Horizonte. Dieß reist nun die halbjährigen Pflanzen und Getreidearten, die Sträucher, welche nicht perennirend sind, so unglaublich schnell, daß sie in Zeit von sieben Wochen nach der Aussaat schon vollkommen ausgewachsen sind. Dagegen dauert der Winter auch drei Vierteljahr und während desselben haben sie ein Vierteljahr (d. h. die nördlichst wohnenden) ununterbrochen Nacht, nur durch unendlich klaren Mondschein und glänzenden Sternenschimmer, so wie durch das prachtvollste aller Meteore, durch das Nordlicht, erhellt. Obwohl sie beinahe alle (mit wenigen Ausnahmen) zum Christenthume bekehrt sind, so glauben sie doch noch in diesem strahlenden Feuer die zürnenden alten Götter zu sehen, denen sie untreu geworden sind. In neuerer Zeit ist Lappland in Kirchspiele getheilt worden, deren jedes einen Pfarrer hat, welcher in der Sprache der Samolatschen predigt, tauft und traut. So bald ein Kind geboren, stellt man zwei Gefäße, eins mit heißem und ein anderes mit kaltem Wasser hin, und taucht es in beide. Hält das Kind diesen plötzlichen Uebergang vom Warmen zum Kalten aus, so wird es für tauglich erklärt und getauft. Schon frühzeitig müssen die Kinder den Bogen führen lernen, der ihnen später Unterhalt verschaffen soll. Um ihnen Luft dazu zu machen, legt man die Nahrungsmittel an einen gewissen Ort und gibt sie ihnen nicht eher, bis sie mit Pfeilen dahin geschossen haben.

V.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 6. [o.O.] 1836, S. 279-281.
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