Valencia

[285] Valencia, Provinz von Spanien, ehemals zur Krone Aragonien gehörig. Am mittelländischen Meere gelegen, 362 Quadrat M. groß mit 1,200,000 Einw., ist V. wie Granada eines der verlorenen Paradiese, aus dem das Kreuz mit Feuer und Schwert die gebildeten Mauren vertrieben hat. Von den romantischen Gebirgsketten der Sierra de Espadan durchschnitten, enthält es die anmuthigsten Thäler und kleinen Ebenen, welche von der Segura, dem Guadalaviar und vielen kleineren Flüssen und künstlichen Wasserleitungen bewässert werden. Erfrischende Seewinde mildern die Glühhitze des Tages; Reif und Nebel sind ganz unbekannte Erscheinungen; reizende Huertas, – so nennt man dort die ausgedehnten Gartenlandschaften, gewähren durch sorgfältigen Anbau, unter dem milden Klima bei dem fruchtbarsten Boden, einen wunderbaren Reichthum der Vegetation. Indeß ermüdend für das Auge ist die meilenange Gleichförmigkeit auch der reichsten Gartenkultur. Hier gewinnt man die edelsten Erzeugnisse des Südens: den köstlichen Alicantewein, Oliven, Datteln, Aloë, auch Weizen, Soda, Flachs und Hanf etc.; Bienen- und Seidenzucht gedeihen wie alle übrigen Erzeugnisse der Landwirthschaft. Diese und die künstliche Bewässerung wird nirgends so einsichtsvoll betrieben, als im Valencianischen. – V., die Hauptstadt der Provinz gl. N., inmitten einer der reichen Huertas dieses Landes, am Guadalaviar oder Turia, über welchem fünf steinerne Brüchen führen, 3000 Schritt vom Meere gelegen, enthält 80 bis 90,000 Einw., fünf Vorstädte, enge, winklige, aber mit vielen schönen Gebäuden besetzte Straßen, 9 öffentliche Plätze, einen[285] großen königl. Palast, die Börse, das Zollhaus, ein großes Hospital, zugleich Findel- und Irrenhaus für 740 Personen, und ist Sitz eines Erzbischofs, einer Audienzia, einer 1404 gestifteten Universität und einer Akademie der bildenden Künste. Die Seidenweberei und Strumpfwirkerei beschäftigen dort an 22,000 Menschen; gegen 50 Papiermühlen befinden sich in der Umgegend; der nicht unbedeutende Seehandel wird durch den am Meere liegenden Flecken Grao vermittelt. Nicht fern davon liegt der Badeflecken Cabagual. – Häuser und Bewohner von V. tragen den maurischen Charakter: jene durch ihre lustige Bauart, diese durch die fast olivendunkle Hautfarbe und Kleidung. Sonst herrscht die größte Unsicherheit in und um V. Dolchstiche sind in den dunkeln Gäßchen nichts Seltenes; besonders sind die »Laboradores« (Gartenbauer), deren es an 60,000 in der umliegenden Huerta gibt, übelberufen in dieser Hinsicht. Dabei bewahren die Valencianer mit furchtbarer Beharrlichkeit ihren Groll jahrelang, und wenn sie zwischen den Zähnen ihr: tu me lo pagara (du sollst es mir bezahlen!) gemurmelt haben, so klingt das wie ein Todesurtheil. Die Frauen von V. sind nicht schön; doch sind sie graziöser und beweglicher, als die von Barcelona. Ihr Wuchs, ihr Gang erinnert an die Andalusierinnen. Dieser glanzlose, kränkliche Teint bei einer ansprechenden Lebhaftigkeit der schwarzen Augen, welche oft tiefglühende Leidenschaften verrathen, macht sie nicht selten höchst interessant. Dazu trägt die Freiheit im Reden und Benehmen, der anmuthige Anstand und die leichte Koketterie, womit sie die Mantilla über den Kopf geworfen tragen und mit dem Fächer spielen, nicht wenig bei. Dabei sind sie voll Laune und Naivetät, die selbst die Frauen aus den geringeren Ständen anziehend macht.

B....i.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 10. [o.O.] 1838, S. 285-286.
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