Modalität

[675] Modalität (von »modus«): Art und Weise des Seins und Gedachtwerdens; Art und Weise des Urteils (»modale Urteile«, »Modalitätsurteil«), Art der Gewißheit desselben, wonach es assertorisch, problematisch oder apodiktisch (s. d.) (KANT) ist. – HELMHOLTZ unterscheidet von der Qualität (s. d.) die Modalität der Empfindungen (s. d.) (Vortr. u. Red. II4, 219, 299).

Die Modalität des Urteils berücksichtigt schon ARISTOTELES: pasa protasis estin ê tou hyparchein ê tou ex anankês hyparchein ê tou endechesthai hyparchein (Anal. pr. I 2, 24b 31; De interpret. 12 squ.). – Die älteren Logiker unterscheiden von den »absoluten« Sätzen die »propositiones modales« (W. HAMILTON, Lect. on Met. and Log. III, XIV, p. 256 ff.). KANT sieht in den Modalitätsbegriffen (Möglichkeit, Wirklichkeit, Notwendigkeit, (s. d.)) apriorische Kategorien (s. d.). Sie haben das Besondere an sich: »das sie den Begriff, dem sie als Prädicate beigefügt werden, als Bestimmung des Objects nicht im mindesten vermehren, sondern nur das Verhältnis zum Erkenntnisvermögen ausdrücken« (Krit. d. r. Vern. S. 202). Daher sind die »Grundsätze der Modalität« »nichts weiter als Erklärungen der Begriffe der Möglichkeit, Wirklichkeit und Notwendigkeit in ihrem empirischen Gebrauche und hiermit zugleich Restrictionen[675] aller Kategorien auf den bloß empirischen Gebrauch, ohne den transcendentalen zuzulassen und zu erlauben« (l.c. S. 203). Durch die Modalität wird »das Verhältnis des ganzen Urteils zum Erkenntnisvermögen« bestimmt, sie zeigt nur »die Art und Weise an, wie im. Urteile etwas behauptet oder verneinet wird« (Log. S. 169). »Die Modalität der Urteile ist eine ganz besondere Function derselben, die das Unterscheidende an sich hat, daß sie nichts zum Inhalte des Urteils beiträgt..., sondern nur den Wert der Copula in Beziehung auf das Denken überhaupt angeht. Problematische Urteile sind solche, wo man das Bejahen oder Verneinen als bloß möglich (beliebig) annimmt; assertorische da es als wirklich (wahr) betrachtet wird; apodiktische, in denen man es als notwendig ansieht« (Krit. d. r. Vern. S. 92). FRIES erklärt: »Die Modalität der Urteile besteht in ihrem Verhältnis zur erkennenden Tätigkeit des Gemütes« (Syst. d. Log. S. 155). KRUG bestimmt: »In Ansehung der Modalität als eines subjectiven Verhältnisses der Begriffe lassen sich dieselben teils als bloß mögliche, teils als wirkliche schlechtweg, teils als in ihrer Wirklichkeit notwendige Denkarte betrachten« (Handb. d. Philos. I, 148). »Die Modalität des Urteils (modus cogitandi indicii) ist ein durchaus subiectives Verhältnis, in welchem das ganze Urteil zum Denkvermögen selber steht« (l.c. S. 160). Nach ESCHENMAYER ist die Kategorie der Modalität nicht eigentliche Kategorie. »Die Glieder derselben bringen keine formale Bestimmung in die innere Natur des Denkens, sondern sind lediglich subjective Beziehungen der Erkenntnis zum Erkannten« (Psychol. S. 305). Sie hat ihren Ursprung »aus dem Grundgesetz des Selbstbewußtseins«. »Was zum reinen Wissen, zum Noumenon gehört, liegt im Gebiet des Notwendigen. Was zum materiellen Sein, zum Phänomen gehört, liegt im Gebiet des Wirklichen. In der Mitte zwischen beiden liegt daß Reich der Möglichkeiten – da, wo daß Selbst als eine unbestimmbar veränderliche Größe = x sich darstellt« (l.c. S. 307). Gegen die Annahme einer Modalität der Begriffe erklärt sich u. a. BACHMANN: »Was gar nicht gedacht wird, ist auch kein Begriff. Nun soll ein Begriff A möglich sein, wenn er gedacht werden kann, d. i. seine Merkmale keinen Widerspruch enthalten. Daß aber die Merkmale desselben keinen Widerspruch enthalten, kann man nur dadurch wissen, daß man eben den Begriff denkt; denkt man aber dies, daß die Merkmale in A sich nicht widersprechen, so denkt man eben A, mithin ißt er dann auch ein wirklicher Denkart« (Syst. d. Log. S. 115). CHALYBAEUS bestimmt die »Modalkategorien« als formale Begriffe des Verhältnisses der logischen zur ontologischen Sphäre (Wissenschaftslehre S. 224 f.). – Nach WUNDT ist es unzulässig, die drei Modalitätsformen als Grade einer aufsteigenden Gewißheit anzusehen. »Apodiktisches und assertorisches Urteil stehen sich in dieser Beziehung vollständig gleich: beide unterscheiden sich als Ausdrucksformen der Gewißheit von dem problematischen Urteil. Hinwiederum steht das assertorische Urteil als der einzig mögliche Ausdruck tatsächlicher Gewißheit dem problematischen und apodiktischen gegenüber, in welche im allgemeinen nur die Resultate von Schlußfolgerungen gekleidet werden können« (Log. I, 199). Nach B. ERDMANN sind die »Geltungsurteile der Modalität« durch »Urteile über Urteile oder Beurteilungen gegeben« (Log. I, 370 f.). Nach HEYMANS ist die Modalität von der Quantität und Qualität der Urteile nur sprachlich unterschieden (Ges. u. Elem. d. wiss. Denk. S. 52 f.). SCHUPPE bemerkt: »Die Urteile der Relation... und die der Modalität... unterscheiden sich eigentlich gar nicht. Die apodiktischen und problematischen Urteile können nicht auf die (psychologisch zu[676] erklärende) subjective Gewißheit oder Ungewißheit des Urteilenden gedeutet werden. In der Sache aber ist immer, auch wenn nur Möglichkeit ausgesagt wird, eine Notwendigkeit vorhanden, ohne welche überhaupt der Sinn der Urteilseinheit fehlen würde. Diese Urteile unterscheiden sich nicht als Urteile, sondern nur inhaltlich« (Log. S. 95). Vgl. SIGWART, Log. I2, 44, 125, 129 ff., 282, 439.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1. Berlin 1904, S. 675-677.
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