Leichenbestattung

[579] Leichenbestattung. Die Bestattungsweise der alten Germanen schildert Tacitus Germania 27 folgendermassen: »Die Bestattung der Toten geschient ohne Gepränge; der einzige Luxus, den das Herkommen erheischt, besteht darin, dass zur Verbrennung der Leichen hervorragender Männer bestimmte Holzarten verwendet werden. Den Scheiterhaufen ziert man nicht mit darauf gehäuften Teppichen und wohlriechendem Räucherwerk, nur seine Waffen, manchmal auch sein Ross, werden dem Toten ins Feuer mitgegeben; ein Rasenhügel erhebt sich über seinem Grabe. Die durch viel Mühe und Arbeit erkaufte Pracht von Denkmälern weiss der Germane nicht zu schätzen; sie erscheint ihm nicht als eine Ehre für den Toten, sondern als ein Druck, der auf ihm lastet. Wehklagen und Thränen giebt er nicht lange Raum, Schmerz und Wehmut aber verlassen ihn nur langsam, denn dem Weibe ziemt die laute Trauer, dem Manne stilles Gedenken.« Ausser dem Verbrennen ist für die älteste Periode schon[579] das Begraben bezeugt; Seeanwohnende übergaben ihre Toten auch dem wässrigen Elemente, legten den Leichnam in ein Schiff, zündeten es an und stiessen es ins offene Meer, gemäss dem Glauben, dass die Dahingeschiedenen über ein trennendes Wasser zu schiffen hätten, wie es überhaupt die Sorge für das jenseitige Leben der Toten war, das die Art der Leichenbestattung veranlasste und bestimmte. Immer wurden mit dem Toten noch andere Dinge bestattet, oft symbolisch in Stein oder Bernstein nachgebildet. Dem Manne gab man seine Schuhe mit, auch Geld, dem Reichen sein Pferd; auch Diener und Dienerinnen vergrub und verbrannte man mit. In ältester Zeit wurde die Gattin mit verbrannt oder sonst über dem Grab getötet. Nordische Quellen sprechen von umständlichen Leichenfeierlichkeiten. Das Grab wurde umschritten oder umritten und ein Leichengesang angestimmt; an dem grossen Leichenmahl, das 7 oder 30 Tage nach dem Begräbnis stattfand, trat der Sohn feierlich das Erbe an. Über dem unverbrannten Leichname oder über der Aschenurne erbaute man oft eine geräumige Grabkammer aus grossen Steinplatten und schüttete darüber einen Erdhügel auf, mit Vorliebe auf weithin sichtbaren Höhen oder an der Küste auf Landzungen, bald einsam, bald neben anderen Gräbern.

Karl Weinhold hat in der Schrift: Die heidnische Totenbestattung in Deutschland, Sitzungsbericht der Wiener Akademie, 1859, mit grossem Erfolge zusammengestellt, was bis jetzt in und über der Erde an heidnischen Grabaltertümern zum Vorschein gekommen ist; wir geben hier in Kürze einen Auszug aus dieser Schrift, bemerken aber zum voraus, dass es sich dabei nicht speziell um die Gräber der heidnischen Germanen, sondern überhaupt um die auf deutschem Boden gefundenen Gräber handelt, die ohne Zweifel auch anderen Völkern, wie Römern, Keiten, Slaven angehören, und ferner dass bei der bis wenigstens ins 8. Jahrhundert fortdauernden Art der heidnischen Totenbestattung es oft nicht ausgemittelt werden kann, ob wir wirklich Heidengräber oder Gräber von Christen vor uns haben, deren Bestattungsweise nach alter Art vor sich gegangen ist. Im allgemeinen muss zwischen Steinbauten, Erdhügeln und flachen Grabstätten unterschieden werden:

I. Steingräber. Dieselben finden sich in ganz Norddeutschland, den Niederlanden, Dänemark, auf den britischen Inseln, in Nord- und West-Frankreich und auf der Pyrenäen-Halbinsel und tragen in Deutschland meist den Namen Hünengräber, Hünenkeller, Hünentritte, Hünenberge, Riesenbetten, Teufelsbetten, Teufelsaltäre, Teufelskanzeln, Teufelsküchen, Steinhäuser u.a. Weinhold unterscheidet Steinkisten ohne Steinkreise oder Hünengräber im engeren Sinne, Hünenbetten und unterirdische Grabkammern. Das eigentliche Hünengrab besteht aus mehreren im Viereck oder rund gestellten Tragsteinen, über denen ein oder mehrere Decksteine liegen; das Hünenbett ist ein Hünengrab auf einer mit Steinen umstellten Erhöhung, die entweder runde oder längliche Form hat; Hünenbetten kommen häufiger vor als die einfacheren Hünengräber; ihr Inhalt aber ist völlig der gleiche: verbrannte und nichtverbrannte Totenreste, Waffen und Schmuckgegenstände von Feuerstein, Granit, Basalt, Sandstein, Knochen und Horn, Bernstein, nie von Metall, sodann irdene Gefässe als Trank- und Speisegeschirre; derselbe Inhalt ist in den unterirdischen Grabkammern, Riesenstuben oder Totenkammern gefunden worden. Man nimmt an, dass diese Grabstätten einem Volke[580] angehören, das vor den Germanen Deutschland bewohnt hat.

II. Hügelgräber haben die Form von Erd- und Geröllaufschüttungen in Gestalt eines Kegels oder Kugelabschnittes von verschiedener Grösse; im Innern sind Überreste verbrannter und unverbrannter Leichen; die Beigaben sind aus Stein oder Metall verfertigt. Die Verbreitung dieser Gräber umfasst ganz Deutschland, aber auch die meisten übrigen Länder Europas und Asiens. Diese Gräber führen den Namen houc, Haug, in Österreich und Bayern Leber oder Lewer, ahd. hlêwari, mhd. lêwer, von hlêo, lê = Erdaufwurf oder natürlicher Hügel, dann Buck, Bühel, Hübel, Kogel, Fraun- oder Fronhäusel, Kopf und Koppe, Knoppe. In den Grabhügeln mit unverbrannten Leichen findet man sehr verschiedene Leichenlagen: entweder liegt der Leichnam über der Erde, oder es ist bei der Auffüllung des Hügels ein Grab in die Erde gegraben worden; die Leiche ist ferner entweder in die blosse Erde gelegt oder unregelmässig mit Steinen umlegt, oder sie liegt in einem Steinkegel, in einer unbedeckten oder in einer geschlossenen Steinkiste, oder in einem gemauerten Behältnisse oder endlich in einem Holzsarge; meist sind als Beigaben Waffen, Schmuckgegenstände und Thongeschirre beigegeben. Die Grabhügel mit verbrannten Leichen zeigen entweder frei niedergelegte Leichenreste, oder eine Aschenkiste oder Aschen- und Beinurnen; im letzteren Falle sind die Urnen entweder einfach in der Hügelerde beigesetzt oder wie die vergrabenen Leichen mit Steinen umstellt, oder in eine förmliche Steinkammer in einen gewölbten Hügel gesetzt. Vereinzelt findet man statt der Erdhügel auch von Steinen aufgeschüttete Hügel. Die thönernen Aschenurnen wie die zahlreichen anderen Speise- und Trinkgefässe sind meist roh gearbeitet.

III. Ganz ähnliche Verhältnisse in bezug auf den bloss vergrabenen oder verbrannten Leichnam, auf die Beisetzung der Urnen und auf die übrigen Beilagen findet man in den flachen Gräbern, deren Insassen denselben Völkern anzugehören scheinen wie diejenigen der Hügelgräber. Zahlreiche Abbildungen der Gräber sowohl als der Grabgefässe in den der Weinholdschen Abhandlung beigelegten Tafeln, Genauere Nachricht als aus der altgermanischen Periode hat man über die Grabstätten aus der merowingischen Zeit, vom 5. bis 8. Jahrhundert, worüber hier nach Lindenschmits Handbuch der deutschen Altertumskunde, Teil I, einiges mitgeteilt wird; gegenüber dem Gewicht, das man früher (auch Weinhold gehört hierher) auf die Gleichmässigkeit oder Verschiedenheit des Grabbaues legte, betont dieser Forscher als das ungleich gewichtvollere Zeugnis besonders den Inhalt der Gräber. Im allgemeinen war in der merowingischen Zeit das Begraben der Leichen weit häufiger als das Verbrennen derselben, offenbar nicht bloss infolge des Einflusses des Christentums, sondern mit Rücksicht auf die Sicherung der Körper, Waffen und Geräte. Die alten Volksrechte, die wie das salische Recht aus heidnischer Zeit stammen, begründen ihre Strafansätze über Gräberverletzung bloss auf vergrabene Leichname, zahlreiche Nachrichten von der Beerdigung germanischer Fürsten, wie des Alarich im Busento, Theodorichs auf dem katalaunischen Schlachtfelde, des Langobardenkönigs Albuin zu Verona, sprechen einzig vom Begraben; nur vereinzelt kann das Verbrennen noch vorgekommen sein, wie denn Karl der Grosse den Sachsen das Leichenverbrennen verbot. Im allgemeinen ist zu unterscheiden zwischen Grabhügeln und Beisetzung der Toten in oder unter[581] einen hügelförmigen Aufbau aus Erde und Steinen, und zwischen in den Boden vertieften Gräbern mit ursprünglich so geringer Aufschüttung, dass jede Spur derselben längst verschwinden musste.

Die Grabhügel von 4–14 Fuss Höhe und einem unteren Durchmesser von 13–36 Fuss sind Überlieferung altheidnischen Brauches und kommen besonders zahlreich bei den Angelsachsen, auf dem Festlande nur bei den Alemannen und vereinzelt bei den Bayern vor; sie finden sich sowohl in vereinzelten Gruppen als auch in der Nachbarschaft oder in unmittelbarer Verbindung mit eigentlichen Friedhofsanlagen. An Zahl weitaus überwiegend erscheinen die Friedhöfe, einfache, in mehr oder minder regelmässigen Reihen geordnete Erdgräber, meist in einer Tiefe von 3–8 Fuss, in der Richtung von Abend gegen Morgen und mit 4–5 Fuss breiten Zwischenräumen; sie finden sich am Mittelrhein nahezu in der Nähe aller Dörfer, die grössten aber in Bayern und Alemannien; bei Friedolfing an der Salzach rechnet man 3000–4000 Tote auf einem Totenfeld.

Die Gräber waren mit einem enggeflochtenen und geschlossenen Zaun aus dem heiligen Weissdornstrauch umgeben, der auch regelmässig zur Verbrennung der Leiche benutzt wurde. Auf dem Grabhügel am offenen Wege stand wahrscheinlich eine Heersäule oder Irmensäule; auch eines Holzbaues geschieht Erwähnung, der nach Art der Tempel auf dem Grabe errichtet wurde.

Für den Totenbehälter verwandte man sowohl Stein als Holz. Die Steingräber sind entweder in Felsen gehauen, was man bei den Burgundern, Franken und Alemannen beobachtet hat, oder es sind Sarkophage aus einem einzigen Stein, wobei man die ursprünglich römischen Sarkophage von merowingischen unterscheiden muss; der römische Steinsarg ist in seiner älteren Form ein regelmässiges oblonges Viereck mit dachförmigem Deckel, in seiner jüngeren, bis tief ins Mittelalter verwendeten Form, an der Kopfseite breiter als an der Fussseite, mit flachem oder nur wenig gewölbtem Deckel; von diesen römischen unterscheiden sich die Steinsärge einheimischer Arbeit durch eine besondere Skulptur, welche, der Holzschnitzerei ähnlich, aus Stabwerk, Gittern und Kreisornamenten zusammengesetzt ist; seltener sind Sarkophage von Stein, die aus mehreren Stücken zusammengefügt sind; in Frankreich hat man aus merowingischer Zeit reich verzierte Särge aus Gips gefunden.

Häufiger als monolithische Steinsärge findet man solche, die aus Steintafeln zusammengesetzt sind, wobei man Plattengräber und Grabkammern aus Steinen verschiedener Grösse oder Steinkammern unterscheiden kann. Die Steine der Plattengräber sind entweder Findlinge oder rohe, aus Felsen gespaltene Tafeln; Spuren von Bearbeitung sind selten. Zur Bedeckung sind Steinplatten auch bei den Steinkammern verwendet worden, sei's mit, sei's ohne Unterbau; daneben kommen auch Steinsetzungen ohne Deckplatten vor.

Unter den aus Holz hergestellten Totenkammern findet man zwar schon früh Holzsärge mit Eisenbeschlag, viel älter aber ist die Beisetzung in ausgehöhlten Baumstämmen, Totenbäumen; sie erhielt sich teilweise bis ins späte Mittelalter. Diese einfachste und älteste Form des Holzsarges besteht aus einem in zwei Teile gespaltenen, trogartig ausgehöhlten Stücke eines Baumstammes, welcher mit seiner Rinde noch in den Boden versenkt und zum Teil mit Steinen festgestützt und bedeckt wurde. Bei den Bayern war die einfachere Bestattung durch[582] Bedeckung des Körpers mit einem Brette üblich; am zahlreichsten aber und bei allen germanischen Stämmen vorherrschend war die Beisetzung der Toten in freiem Boden, wie es die meisten Friedhöfe des mittleren Rheinlandes aufweisen. Ob und in wiefern ein Unterschied in der Begräbnisweise der verschiedenen Stände obgewaltet habe, ist bis jetzt nicht nachgewiesen.

Zeichen christlicher Bestattungsweise ist die Richtung der Leichname von West nach Ost, so dass das Antlitz dem Morgen zugewendet ist. Im übrigen blieb die altheidnische Bestattungsweise noch lange im Brauch, dazu gehört die Beisetzung mehrerer Schichten von Toten übereinander, besonders aber die Beisetzung von Speise und Trank, das Mitbegraben von Tieren, die in den Gräbern vorgefundenen Tierknochen, Scherben und Kohlen, welche auf wiederholte Bereitung von Mahlzeiten und Opferungen hinweisen. Von Tieren finden sich in merowingischen Grabstätten ganze Skelette oder bloss Schädel von Rind, Pferd, Hirsch, Schaf, Schwein und Hund. Die Pferdeskelette sind teilweise mit Sattelzeug versehen und bezeichnen die Gräber vollständig bewaffneter und reich ausgestatteter Männer; in der Zeit der Karolinger wurde statt ganzer Pferde bloss noch etwa das Pferdezeug mit ins Grab gelegt. Auch an Münzen römischen und merowingischen Gepräges zum Teil im Munde des Toten fehlt es nicht. Die wichtigste Ausstattung der Toten waren aber Waffen und Schmuck.

Das Christentum verlegte die Begräbnisstätten in die Kirchen oder in deren unmittelbare Umgebung als in einen geweihten Boden; doch waren ausserhalb von den Kirchen gesonderte Begräbnisse auf Privateigentum noch lange in Gebrauch und erst im 12. Jahrhundert gänzlich verboten. Aber auch das Begraben von Toten in den Kirchen war anfangs von der Kirche selbst verboten, da die Gotteshäuser ausser den Heiligenleibern und den Reliquien in den Altären keine sterblichen Überreste umschliessen sollten; dennoch wurde für verdiente Kirchen- und Klostervorsteher, wie für weltliche Grosse die Kirche als Begräbnisstätte benutzt, zumal oft gerade zu diesem Zwecke eigene Kirchen gestiftet wurden: am längsten erhielten die Cisterzienser das Verbot der Beerdigung innerhalb ihrer Kirchen aufrecht. Könige, Königinnen und Bischöfe wurden regelmässig in Kirchen bestattet, den Stiftern derselben gestand man selbst ein Grab in der Mitte des Chores zu; Bischöfe wurden in ihren Kathedralen beigesetzt; Stifter von Messaltären wurden häufig vor diesen begraben; auch der Kapitelsaal wurde manchmal als Grabstätte verwendet. Als Bedeckung des Grabes diente ein liegender Leichenstein oder eine aus Bronze gegossene Grabplatte, mit Bildwerk verziert, welches anfangs in die Platte vertieft war; Reliefbilder erscheinen erst seit dem 13. Jahrhundert. Neben den liegenden kommen aber auch aufgemauerte, mit einer Stein- oder Metallplatte bedeckte, über den Fussboden erhobene Grabmäler oder Tumben vor, deren ältere nur niedrig sind und zuweilen wirklich den Leichnam umschliessen, wie das beim Grabmal Otto's des Grossen im Dom zu Magdeburg und demjenigen Rudolf's von Schwaben im Dome zu Merseburg der Fall ist. Seit dem 13. Jahrhundert giebt es dann Tumben in Form eines Altares; zuweilen stehen sie nicht frei, sondern sie sind mit einer Seite an die Wand gerückt und nischenförmig überbaut. Auf Füssen ruhende, kastenartige Stein- oder Metallgrabmäler kommen in Deutschland erst gegen Ende des Mittelalters vor. Seit dem 13. Jahrhundert tragen alle Hochgräber ein[583] Bild des Verstorbenen. Otte, Handbuch der Archäologie, § 51.

Die bei einem mittelalterlichen Begräbnisse adeliger Personen vorkommenden Ceremonien und Gebräuche sind teils in den Vorschriften der Kirche, teils in den Erfordernissen des höfischen Standes der Verstorbenen begründet; dazu treten ohne Zweifel gewisse seit alter Zeit hergebrachte Volksgebräuche, wozu namentlich auch der laute Schmerz gehörte; man zerriss sich die Kleider, raufte das Haar aus, rang die Hände, schlug sich die Brust, zerkratzte sich mit den Nägeln das Gesicht. Das würdigste Bild eines mittelalterlichen Leichenbegängnisses eines Fürsten wird dasjenige Siegfried's im Nibelungenliede sein. Vergl. dazu Schultz, Höfisches Leben, Abschnitt VII.

Manche volkstümliche Sitten beim Leichenbegängnisse treten später wieder in den Städten hervor; wovon hier noch einiges nach Kriegk, Deutsch. Bürgertum, II, Abschnitt VI und VII mitgeteilt werden soll. Die Leiche wurde nicht durch besondere Leichenträger, sondern durch Familienangehörige oder durch Standes- und Berufsgenossen zu Grabe getragen. Bei vornehmen Leuten thaten dieses wohl auch Mönche eines befreundeten Klosters. Bei Armen und Verlassenen waren Begharden verpflichtet, die Leiche unentgeltlich anzukleiden und tragen zu helfen; auch gab es dafür eigene Stiftungen; namentlich aber sicherten zahlreiche Bruderschaften ihren Mitgliedern ein anständiges kirchliches Begräbnis. Bei den Zunftgenossen trugen die Meister den Leichnam des verstorbenen Meisters, sowie dessen Weib und Kinder, Gesellen denjenigen eines Mitgesellen zu Grabe. – Gekleidet wurde der Tote entweder in das besondere Totenhemd oder in seine gewöhnliche Kleidung; in manchen Gegenden nähte man ihn in weisse oder schwarze Leinwand ein; oft begrub man den Toten in der Mönchskutte, weil die Barfüsser, Dominikaner und Karmeliter die Meinung verbreitet hatten, wer in ihrem Ordenskleid sterbe oder sich in demselben begraben lasse, werde ihrer guten Werke teilhaftig und schon nach kurzer Zeit aus dem Fegfeuer erlöst.

Häufig wurden bis ins 17. Jahrhundert Leichen ohne Sarg auf einer Totenbare zu Grabe getragen und ins Grab gelegt, Fürsten nicht ausgenommen. In Frankfurt und wahrscheinlich überall sonst pflegte man im 15. Jahrhundert die Verstorbenen schon am nächsten Tage nach dem Tode zu beerdigen. Sehr alte Sitte war das Nachtwachen bei der Leiche, welches oft durch sog. Seelschwestern verrichtet wurde. Die Ansagung des Leides und das Einladen zur Beerdigung geschah durch besonders bestellte und bezahlte Weiber, die Bitterinnen, welche in der Regel Beginen waren. Die Zahl derer, welche die Totenbahre trugen, war verschieden; ein Leichenwagen erscheint in Frankfurt zuerst im Jahre 1511. Das den Sarg bedeckende Tuch heisst Toten-Deckelache oder Leichentuch; es war schwarz und mit einem aufgenähten weissen Kreuze versehen. Die Beerdigung selbst, mhd. bevilhede, bevilde, lîchlege, später auch Lipbemele oder Lipfel, war stets eine mehr oder weniger feierliche und durchaus kirchliche Handlung; daher man auch im Kriege stets darauf bedacht war, die gebliebenen Mitbürger vom Schlachtfelde in die Stadt zu bringen und daselbst ordentlich begraben zu lassen. Die Begräbnisse galten daher als etwas sehr Kostspieliges, und zwar waren die Hauptausgaben die für den Pfarrer, für die Wachskerzen und für das Leichenmahl. Gegen die beiden letzten Ausgaben gehen die zahlreichen beschränkenden Verordnungen, welche überall gegen den Beerdigungsluxus erlassen[584] wurden. Immer musste die Leiche, auch wenn sie auf einem andern Friedhofe als demjenigen der Pfarrkirche beerdigt wurde, zuerst in diese Kirche getragen und daselbst der übliche Gottesdienst abgehalten werden. Auf dem Zuge in die Kirche wurde mit einer oder mehreren Glocken geläutet, ein Brauch, der aus dem 6. Jahrhundert stammen soll; Zeugnis von dieser allgemein verbreiteten Sitte giebt die Glockeninschrift vivos voco, mortuos plango, fulgura frango. Zu den Feierlichkeiten gehörte sodann der Gesang, welcher ausserhalb der Kirche von mitziehenden Stiftsschülern gesungen wurde. In der Kirche wurden Opfern spenden sowohl an den fungierenden Geistlichen als für die Armen dargebracht; die ersteren bestanden vorzugsweise in Kerzen, aber auch in Wein und Brot. Leichenpredigten scheinen vor der Reformation nur vereinzelt vorgekommen zu sein. Mitunter wurden bei Beerdigung vornehmer Leute besondere Klageweiber verwendet, welche singend über das Grab gingen.

Das Leichengefolge, auf welches man nächst den kirchlichen Handlungen den meisten Wert legte, trug, vor und nach der Leiche ziehend, teils Kreuze, teils brennende Kerzen. Die letzteren wurden in der Regel von dem Sterbehaus angeschafft und unter die Leichenbegleiter verteilt, von diesen aber zu Ehren des Verstorbenen dem beim Seelenamt fungierenden Geistlichen geopfert. Sie wurden früh ein Gegenstand des Prunkes und öffentlicher Verordnungen. Nach der Beerdigung kehrten die Lichlüte in das Sternehaus zurück, wo man ihnen den Dank der Familie aussprach und sie bewirtete und beschenkte. Das Leichenmahl ist ebenfalls uralte Sitte, deren schon Augustin gedenkt; auch hier sah sich die Obrigkeit veranlasst, mässigend einzugreifen. Die Bewirtung fand im Sterbehause und auf den Trinkstuben statt; auch pflegte man denen, welche nicht anwesend sein konnten, Essen und Trinken zu schicken.

Zu den beim Adel von früherer Zeit her üblichen Leichengebräuchen gehörte das Führen eines Pferdes im Leichenzug und das Berittensein eines Teiles der Leidtragenden. Bei den Begräbnissen von Schultheissen und Schöffen war das Vortragen von Helm und Schild oder von Schwert und Schild gebräuchlich.

Wenig weiss man von der konventionellen Art der Trauer um einen Verstorbenen. In Augsburg trugen im Beginne des 16. Jahrhunderts Männer zum Zeichen der Trauer sog. Nebelkappen, auch Gugelkappen oder Kappenzipfel genannt, schwarze Kapuzen, welche nach hinten mantelartig verlängert waren und vornen das Gesicht ganz und gar oder doch gröstenteils bedeckten, ursprünglich jedoch aus blossen schwarzen Bändern, welche den Hals und Mund verhüllten, bestanden haben sollen.

Einzeichnungen der Verstorbenen waren im Mittelalter nicht gebräuchlich, ausser wo Schenkungen und Legate an kirchlichen Stiftungen gemacht wurden. Sonst behalf man sich, wenn Geburtsjahr, Taufe, Verehelichung oder Tod einer Person nachgewiesen war, mit der Abhörung von Zeugen; eigentliche Kirchenbücher entstanden erst seit der Reformation, als der Nachweis der Konfession nötig wurde; daher auf lange Zeit nicht der Tag der Geburt, sondern der Taufe, sowie nicht der Todes-, sondern der Begräbnistag eingetragen wurde.

Das Seelenwohl und das ehrende Andenken an den Verstorbenen liess aber die religiösen Pflichten gegen den Verstorbenen mit deren Tod nicht endigen; reiche Leute waren bemüht, beide Zwecke auf ewige Zeit verfolgen zu lassen; ärmere thaten es in den ersten Wochen[585] nach der Beerdigung, sowie später jedes Jahr am Allerseelenfeste und am Todestage des Verstorbenen. Für ganz arme Leute sorgten auch in dieser Hinsicht besondere kirchliche Stiftungen; der Name für die kirchliche Totenfeier ist Begängnis.

Die Hauptfeier für Verstorbene fand in den ersten dreissig Tagen nach der Beerdigung statt und bestand in Seelenmessen, welche entweder an jedem Tage dieser Zeit oder ausser dem Begräbnistage selbst am sog. Siebenten und am sog. Dreissigsten, d.i. am Schlüsse der ersten Woche und des ersten Monats im Sterbejahr abgehalten wurden. Nachher trat an die Stelle dieser Tage die Jahrgezeit, Jahrzeit oder das Anniversarium, d.i. die jährliche Feier des Todestages. Die Bruderschaften hatten ein allgemeines Jahrgezeit-Fest. Die Kirchen selbst feierten von sich aus das namentliche Gedächtnis nur in betreff derer, die sich durch Schenkungen um sie verdient gemacht hatten; die notwendigen Verzeichnisse hierzu sind die Anniversarien-Bücher, nach den Tagen des Jahres geordnet, und die Totenbücher, auch Totenzettel, Totenbriefe, Memorien genannt, welche bloss die Namen der Stifter enthielten, um an dem in jeder Woche für die Verstorbenen gehaltenen Gottesdienste gelesen zu werden. An solche Stiftungen waren teils die Abhaltung von Messen und Vigilien, teils die Austeilung von Brot oder Geld oder förmliche Armenspeisungen geknüpft, auch Austeilung von Tuch oder Kleidern. Weitere Ehrenbezeugungen für die Verstorbenen bestanden in der zeitweisen Ausbreitung von Leintüchern über das Grab, in der Beleuchtung desselben an gewissen Tagen; das Begiessen des Grabes mit Wein scheint dagegen seit dem 14. Jahrhundert aufgehört zu haben. Die Hauptfeier war das in der Kirche gehaltene eigentliche Begängnis, wozu die eingeladenen Teilnehmer in Prozession zur Kirche zogen. In der Kirche stand, mit brennenden Kerzen umgeben, ein Katafalk, eine Bahre mit einem »Bellekin«, d.i. Baldachin oder bedeckter Sarg. Den Schluss der Feier bildete ein Festmahl Vgl. noch Rochholz, in deutscher Glaube und Brauch. Berl. 1867. Bd. I, 131–213. – Kohl, Alte und neue Zeit. Bremen 1871. Abschn. 16.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 579-586.
Lizenz:
Faksimiles:
579 | 580 | 581 | 582 | 583 | 584 | 585 | 586
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Ein Spätgeborner / Die Freiherren von Gemperlein. Zwei Erzählungen

Ein Spätgeborner / Die Freiherren von Gemperlein. Zwei Erzählungen

Die beiden »Freiherren von Gemperlein« machen reichlich komplizierte Pläne, in den Stand der Ehe zu treten und verlieben sich schließlich beide in dieselbe Frau, die zu allem Überfluss auch noch verheiratet ist. Die 1875 erschienene Künstlernovelle »Ein Spätgeborener« ist der erste Prosatext mit dem die Autorin jedenfalls eine gewisse Öffentlichkeit erreicht.

78 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon