Clugny

[148] Clugny (Clüny, Cluniacum), altes Städtlein des ehemaligen Burgund, jetzt zum Saône- und Loiredepartement gehörend, Cantonsstadt des Bezirkes Macon, 3000 E.; Kürschnerarbeiten, besonders Handschuhe. Nahe lag die 910 von Berno, Abt von Gigniac und vom Herzog Wilhelm von Aquitanien gestiftete weltberühmte Abtei, welche im 10. und 11. Jahrh. wohl das Meiste zur geistigen Wiedergeburt des Abendlandes beitrug. Dem Stifter folgte Abt Odo (924–41), ein berühmter Musiker, Förderer der Wissenschaften, auch des Studiums der heidnischen Classiker, bis ein Traum ihm letztere als giftige Schlangen gezeigt haben soll, Gründer einer berühmten Schule, der vom Papste und Fürsten ausgezeichnete Reformator vieler ital. Klöster sowie durch freiwillige Unterwerfung vieler franz. Klöster unter C. Stifter der Cluniacensercongregation, welche die Regel der Benedictiner (s. d. Art.) durch anhaltendes Schweigen, öffentliches Sündenbekenntniß, Psalterbeten während der Arbeit u. A. verschärfte und in ihrer Blüthezeit 10000 Mönche in 2000 Klöstern Europas zählte. Schon Maïeul aus Avignon zog die Abtswürde von C. der päpstlichen vor, die ihm Kaiser Otto II. zugedacht; der hl. Odilo förderte Geschichtschreibung, bekam 1034 Kasimir, der 7 Jahre später König von Polen wurde u. stets ein Gönner der Cluniacenser blieb, als Mönch ins Kloster, wirkte für Einführung des Gottesfriedens u. Allerseelenfestes (s. d. Art.), verkaufte im Hungerjahr 1030 für die Armen selbst Kirchengeräthe und behielt nur eine goldene Krone, ein Geschenk des deutschen Kaisers, und hinterließ neben einem Leben der hl. Adelheid 15 Briefe, von denen einer lange für augustinisch galt. Unter Hugo, der 1049 erst 25jährig einstimmig Abt wurde, war C. die Bildungsschule Gregors VII.; Hugo war mit Kaiser Heinrich IV. nahe verwandt, suchte diesen später mit Hildebrand auszusöhnen, wohnte der Synode bei, deren Frucht der 1. Kreuzzug war, bestimmte König Philipp I. zur Uebernahme der Kirchenbuße und baute 1089 die größte Basilika der Welt, 600' lang und 120' breit, später von St. Peter in Rom nur wenig übertroffen. Ihm, dessen Schüler die Päpste Urban II. und Paschal II. gewesen, folgte Pontius de Melgueil, unter welchem Papst Gelasius II. in C. Zuflucht und Grab fand und dessen Nachfolger Calixt II. gewählt wurde. Pontius erhielt die Pontificalinsignien, Bestätigung der Privilegien, dazu das Recht, als Cardinal zu functioniren u. selbst während eines Interdictes bei verschlossenen Thüren Gottesdienst zu halten. Von einer Pilgerfahrt nach Jerusalem zurückkehrend, fand er in C. den 1122 gewählten Peter den Ehrwürdigen als Abt, nahm die Rache eines Soldaten und st. reuelos als Excommunicirter. Beim Reichthume des Klosters vermochte nur ein Peter, (1122–1256) »le docteur des vieillards« Zucht aufrecht zu erhalten u. C. Glanz zu erhöhen. Dieser entschied für Innocenz II. gegen den Cluniacenser Anaklet II., baute Klöster im Thal Josaphat und auf dem Berge Tabor, verwendete sich für Abälard, schrieb gegen den hl. Bernhard wegen Klosterarmuth und hinterließ über 200 Briefe. Mit ihm endete C.s Bedeutung, welche auf die Bettelorden und Cistercienser überging. 1249 kamen in C. Gregor IX. und Ludwig d. H. zusammen, Abt Ivo gründete das Colleg von C. in Paris, Raymund kaufte 1434 den Palast de [148] Thermes, den Julian der Abtrünnige erbaut haben soll und dessen Seitenbau seit 1819 Musée nationale ist. Vom Generalcapitel der Congregation mußten den Aebten fortan »Definitoren« beigegeben werden und franz. Könige sammt den Großen und den Päpsten in Avignon bekamen überwiegenden Einfluß, die Abtswürde von C. wurde zur Commende der Familie Guise, im 16. Jahrhdt. das Kloster von Hugenotten 3mal geplündert, 1562 zerstört und die große Bibliothek mit 20000 Handschriften verbrannt oder zerstreut. Durch die Reformation und Eifersucht des Auslandes auf Frankreich verlor C. allmälig seine Klöster, 1627 machte sich Richelieu selbst zum Abt und während die Mönche stritten, verpraßten Commendaturäbte als Ehrenmitglieder des Parlaments ihr Jahreseinkommen von etwa 50000 Louisdors in Paris. 1790 kam die allgemeine Klosteraufhebung, der letzte Abt von C., ein la Rochefaucauld, st. 1800 als Emigrant; das Städtlein C. kaufte die Kirche und riß sie nieder, so daß Napoleon die spätere Einladung auf einen Besuch mit Recht also ausschlug: Allez, vous êtes des Vandales! (Geht, ihr seid Vandalen!)

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 2, S. 148-149.
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