Tod [1]

[490] Tod, ist der Act der Vernichtung od. der Zustand des Vernichtetseins irgend einer organischen Individualität. Durch den T. kehrt die Materie, welche sich im Zustande des Belebtseins bis auf einen gewissen Grad von der ausschließlichen Herrschaft der physikalischen und chemischen Gesetze befreit hat, wieder dahin zurück. Die Kennzeichen des T.es im einzelnen gegebenen Fall beruhen gerade auf dem Hervortreten von Anzeichen, die auf das ausnahmslose Walten der sog. physikalischen u. chemischen Kräfte schließen lassen; auf die Zerstörung der organischen Form ist es dabei stets abgesehen. Ist dieses Ziel erreicht u. damit die Möglichkeit der Aeußerung irgend welcher Lebensthätigkeit aufgehoben, so nennt man die Materie in solchem Zustande wohl auch »todte Materie.« Daß dieser Zustand stets nur ein vorübergehender ist, daß z.B. die Kohle – das Skelett eines getödteten Pflanzenorganismus – welche im Augenblick unser Zimmer erwärmt und bei dieser Gelegenheit als Kohlensäure durch den Schornstein entweicht, vielleicht in der nächsten Viertelstunde von irgend einem Pflanzenblatt als lustige Speise begierig angezogen wird, um in kurzer Zeit als integrirender Theil irgend einer Pflanzenzelle wieder aufzuleben u. nicht lange nachher im Magen irgend welchen Thieres als Pflanzenzelle nochmals zu sterben, damit daraus etwa ein Blutkörperchen werde, das seinerseits wiederum dem T.e verfallen ist, – dieses ist ein Gegenstand unsrer alltäglichen Erfahrung. Die Frage, wo u. wann die Materie aufhört todt zu sein u. anfängt zu leben, wird stets Gegenstand der Spekulation bleiben. Ob die Gesammtheit der irdischen Materie todt sein und damit auch wieder lebendig werden könne, muß vom Standpunkte der Erfahrung aus dahin beantwortet werden, daß noch nicht alle chemischen Elemente als Theile irgend eines Pflanzen- od. Thierorganismus aufgefunden worden sind, daß insbesondere die große Mehrzahl der Metalle noch nicht als integrirende Theile eines lebenden Wesens von der chemischen Analyse nachgewiesen werden konnten. Wenn man jedoch diesem gegenüber bedenkt, daß gerade diese metallischen Elemente, namentlich diejenigen derselben, welche noch nicht in Organismen nachgewiesen worden sind, nur einen höchst unbedeutenden Bruchtheil der Gesammtmasse des Erdballs bilden und daß die Wissenschaft selbst mancherlei Ursache hat, an ihrer elementaren Eigenschaft zu zweifeln, so hat die Wahrscheinlichkeit der Vermuthung, daß die irdische Materie in ihrer Totalität die Fähigkeit habe, diesen geheimnißvollen Kreislauf zu durchwandern, u. dies so gut wie die Schwerkraft als ihr unveräußerliches Attribut gelten müsse, viel für sich.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 490.
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