Erdfarben

[490] Erdfarben, in der Natur sehr häufig vorkommende, aber nicht immer verwertbare, meistens in Gruben, selten bergmännisch gewonnene Farbkörper, die in allen Fällen, ehe sie angewendet werden können, noch besonderen Zubereitungen, wie Mahlen, Sieben, Schlämmen, Glühen u.s.w., unterworfen werden müssen, damit sie brauchbare Farbkörper liefern.

Es gibt weiße, gelbe, braune, rote, grüne, blaue und schwarze Erdfarben, die in den meisten Fällen aus mehr oder weniger mit andern mineralischen Substanzen vermischten Metalloxyden bestehen, wohl auch organische Zersetzungsprodukte, reiner Kohlenstoff oder endlich, wie alle weißen Erdfarben, Verbindungen von Erdalkalien sind.

Weiße Erdfarben: Kreidearten (s. Kreide), kohlensaurer Kalk; Wienerweiß, Perlweiß, Wienerkalk, Putzkalk, aus kohlensaurem Kalk bestehend; Tone von weißer Farbe, wie Pfeifenton, Cölnererde, Weiße Erde, aus basisch kohlensaurem Kalk bestehend; Talkerde, Venezianererde, Spanische Kreide, Glanzweiß, Federweiß, Schminkweiß, Schieferweiß, Venezianerweiß (letztere beiden Namen führen auch Bleiweißfarben), aus kieselsaurer Magnesia bestehend; ferner zählen zu den weißen Erdfarben noch Knochenasche (Knochenerde, Beinasche, Elfenbeinweiß, präpariertes Weiß), also phosphorsaurer Kalk und Schwerspat. – Gelbe Erdfarben: Alle Ockerarten, als Eisenoxydhydrat mit wechselnden Beimengungen von Eisenoxyd, Ton, Kalk, kieselsaurem und basischschwefelsaurem Eisenoxyd, ferner Gelberde, Tünchgelb, gelber Ton als Gemenge von kieselsaurem Eisenoxyd mit Tonerde. – Rote Erdfarben: Bolus als Eisenoxyd mit Tonerde und Kieselsäure, Englischrot, Eisenmennige, Eisenrot als mehr oder weniger reine oder mit Tonerde, Kalk u.s.w. vermengte Eisenoxyde. Hierher wird auch das Caput mortuum (s. Eisenrot) gezählt und die gebrannten Ocker, die durch Glühen eine rote Farbe annehmen. – Braune Erdfarben: Terra di Siena, Satinober, Mahagonibraun als Eisenoxyd, Eisenoxydhydrat, kieselsaures Eisenoxyd; alle Umbrasorten als kieselsaures Eisenoxyd mit Tonerde; Cölnische Umbra, Casselerbraun, Kesselbraun als organische Zersetzungsprodukte (Braunkohle); Asphaltbraun, Bitumen (aus Asphalt künstlich gewonnen) und endlich Bister aus Glanzruß. – Grüne Erdfarben: Grüne Erde als Eisenoxydul mit Kieselerde, Tonerde, Kalk ü. s. w., meist sehr unrein und von nur schwach grüner Farbe; Berggrün, Malachitgrün, Kupfergrün, Mineralgrün, Tirolergrün, Maurisches Grün, Schiefergrün als kohlensaures Kupferoxyd, mehr oder weniger rein. – Blaue Erdfarben: Bergblau, Kupferlasur, Mineralblau, Kupferblau, Hamburgerblau, Englischblau als kohlensaures Kupferoxyd; Blauer Ocker, Titianit, Eisenblau, natürliches Berlinerblau[490] als phosphorsaures Eisenoxyd. Lasurblau aus Lasurstein (Lapis lazuli) kommt nicht in Betracht, weil dieses Material zu selten vorkommt und viel zu teuer ist. – Schwarze Erdfarben: Graphit als Kohlenstoff; Schwarze Kreide, Schieferschwarz, Spanische Kreide, Zeichenschiefer als Tonschiefer. – Graue Erdfarben kommen nicht vor; die Zinkblenden sowie das sogenannte Metallgrau sind gepochte und gemahlene Erze, und was als solche in den Handel gebracht wird, nur Mischungen von Kreide mit schwarzen, gelben u.s.w. Erdfarben.

Der Wert der Erdfarben- ist von ihrer Feinheit, dem Feuer und der Deckkraft abhängig, und der Preis richtet sich nach diesen Eigenschaften sowie auch danach, ob die betreffende Erdfarbe schon am Gewinnungsorte in einem solchen Zustande sich findet, daß sie mit geringem Aufwand an Zeit und Arbeit in verkaufsfähiges Produkt umzuwandeln ist oder nicht; im letzteren Falle erscheint oft die Verarbeitung nicht lohnend. Geschonte Erdfarben werden, um Farbenton und Feuer zu erhöhen, mit Teerfarbstofflösungen gefärbt und getrocknet oder aber mit chemischen Farben, z.B. Ocker mit Chromgelb oder Chromorange vermischt; letztere sind lichtbeständig, erstere nicht.

Der Verband deutscher Erd- und Mineralfarbwerke hat nachstehende Normen für die Beschaffenheit der Erdfarben aufgestellt: Duldungsgrenzen für ungeschönte Erdfarben: ein Gehalt von nicht über 0,10% Teerfarbstoffen, 0,25% pflanzlichen Farbstoffen und 0,50% chemisch-mineralischen Farbsubstanzen. – Auffärbungsgrenzen für geschönte Erdfarben: ein Gehalt von nicht über 3% Teerfarbstoffen, 10% Pflanzenfarbstoffen und 15% chemisch-mineralischen Farbsubstanzen.

Andés.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 3 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 490-491.
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