Metallurgie

[410] Metallurgie, Metallgewinnung, Hüttenkunde, die Lehre von den Metallen, ihren Eigenschaften, den chemischen Prozessen und den mechanischen Einrichtungen für die Gewinnung – das Ausbringen – der Metalle aus ihren Erzen und für die weitere Verarbeitung der gewonnenen Rohmetalle auf Handelswaren durch Gießen, Walzen u.s.w. Die gesamten hüttenmännischen Arbeiten werden als Hüttenwesen, die dazu erforderlichen Oefen und in Gebäulichkeiten untergebrachten Anlagen als Hüttenwerke bezeichnet.

Betreffs der hüttenmännischen Gewinnung der einzelnen Metalle sei auf die einschlägigen Einzelartikel, wie Blei, Eisen u.s.w., und auf Aufbereitung, Gebläse, Gebläsemaschinen, Gießerei, Walzwerke verwiesen. Hier sollen nur einige allgemeine Punkte der metallurgischen Vorgänge erörtert werden. Die Metalle kommen selten im gediegenen Zustande, meist als chemische Verbindungen, als Erze vor (s. Metalle). Die Gewinnung der Metalle geschieht entweder auf trockenem oder auf nassem Wege, und die hierzu erforderliche chemische Arbeit sowie die zum Schmelzen nötige Wärme wird entweder von den Brennstoffen oder als Elektrizität geliefert. Maßgebend für die Gewinnungsart der einzelnen Metalle auf trockenem Wege in den Schmelzöfen sind wesentlich ihr Schmelzpunkt und ihr Siedepunkt. So werden die leicht verdampfenden Arsen, Zink, Kadmium durch Reduktion mit Kohle und darauffolgende Destillation, Eisen, Kupfer, Nickel u.s.w. aber durch Ausschmelzen gewonnen. Die meiden Erze erfordern, bevor sie in den Schmelzofen gelangen, eine Vorbereitung. Entweder müssen sie an der Luft »abliegen« oder »verwittern« oder sie werden unter Luftabschluß oder unter Luftzutritt erhitzt, »gebrannt« oder »gerottet«. Durch das Abliegen werden Letten, Ton u.s.w. durch den Regen fortgewaschen oder eingesprengter Schwefelkies zu Eisenvitriol oxydiert und dann auf dieselbe Weise fortgeschafft. Das Brennen bezweckt die Auflockerung der Erze und Entfernung flüchtiger Bestandteile, wie Wasser, Kohlensäure, bituminöser Stoffe. Durch das Rösten wird schließlich eine höhere Oxydation oder eine Umwandlung der Sulfide in Oxyde bewirkt, indem der Schwefel, z.B. der Zinkblende, zu schwefliger Säure verbrennt, welche sich verflüchtigt und zur Gewinnung von Schwefelsäure aufgefangen wird. Zur zweckmäßigeren Verhüttung, z.B. zur Bildung einer erforderlichen Schlacke, werden häufig arme Erze mit reicheren vermischt. Man bezeichnet das als Gattieren, Maschen, Mischen, Möllern. Auch gibt man gewisse Stoffe zu, welche Zuschläge oder Flüsse genannt werden und durch Schlackenbildung die Abscheidung des nutzbaren Bestandteils aus dem Erz begünstigen bezw. die Schlacke leichtflüssig machen und dadurch die Ansammlung des Metalls befördern sollen. Man unterscheidet Röstzuschläge (Kohle, gebrannter Kalk, Kochsalz) und Schmelzzuschläge (Quarz, eine Reihe von Silikaten, Flußspat, Kalkstein, Pottasche, Soda, Borax, Glaubersalz, Salpeter, ferner Zink [zur Gewinnung des Silbers aus Werkblei], Arsen [zur Anreicherung von Nickel und Kobalt in Speisen] u.s.w.). Als Flußmittel wirken Flußspat, Borax, Kochfalz sowie verschiedene Schlackensorten. Das Vermengen der Erze mit den Zuschlägen heißt Möllern und das Aufgeben in den Ofen Beschicken, die Menge der Beschickung, welche innerhalb einer[410] gewissen Zeit verarbeitet, wird, die Schicht. Die Erzeugnisse der Hüttenprozesse heißen Hüttenprodukte. Diese sind 1. Metalle, deren Reinheitsgrad bei den Edelmetallen mit sein (Feinsilber, Feingold), bei unedeln Metallen mit gar oder roh (Garkupfer, Roheisen) bezeichnet wird. Weiter gereinigte Metalle heißen raffiniert. 2. Hüttenerzeugnisse, welche durch Einwirkung der Zuschläge aus den Erzen entstanden sind, wie Hartblei, Roheisen, Spiegeleisen, Stahl. 3. Zwischenprodukte, entweder Legierungen wie Werkblei, Tellersilber, Schwarzkupfer oder sogenannte Steine (Schwefelkupfer), Speisen (Arsennickel), schließlich 4. Abfälle. Die hauptsächlichsten Abfälle sind die Schlacken, welche sich aus den Beimengungen der Erze oder aus den Zuschlägen und Flüssen stets bilden und den wichtigen Zweck haben, die sich ausscheidenden Metallteilchen durch Umhüllung vor Oxydation durch die Gebläseluft zu schützen und durch ihre Leichtschmelzbarkeit, ihr geringeres spezifisches Gewicht und ihre chemische Indifferenz gegen die Metalle deren Ansammlung zu befördern. Alles andre s. unter Schlacken. Daneben treten Gichtstaub, Ofenbrüche u.s.w. auf. 5. Gase und Dämpfe (Verbrennungsgase), die, weil aus der Gicht entweichend, gewöhnlich Gichtgase genannt werden und als Brennstoff oder Kraftgas dienen; ferner schweflige Säure, die den Rohstoff der Schwefelsäuredarstellung bildet, und arsenige Säure, welche durch Verdichtung gewonnen wird. – Ueber die Anwendung der Elektrizität in der Metallurgie s. Aluminium, Magnesium, Kupfer, Zink, Nickel und Elektrometallurgie.


Literatur: Kerl, Handbuch der metallurg. Hüttenkunde, 4. Aufl., Freiberg 1861–1865; Ders., Grundriß der allgemeinen Hüttenkunde, 2. Aufl., Leipzig 1879; Ders., Grundriß der Metallhüttenkunde, 2. Aufl., Leipzig 1881; Balling, Die Metallhüttenkunde, Berlin 1885; Schnabel, Lehrbuch der allgemeinen Hüttenkunde, 2. Aufl., Berlin 1903; Ders., Handbuch der Metallhüttenkunde, 2. Aufl., Berlin 1901.

Beckert.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 6 Stuttgart, Leipzig 1908., S. 410-411.
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