Proben [2]

[245] Proben, technologische, dienen zur Untersuchung der Baustoffe auf ihre Bearbeitungsfähigkeit oder technologischen Eigenschaften. Nach der Art der Bearbeitung unterscheidet man die letzteren in: Zerlegbarkeit, Umformbarkeit und Zusammenfügbarkeit.

1. Die Zerlegbarkeit der Baustoffe beruht auf ihrem mehr oder weniger großen Widerstande gegen den Angriff schneidender Werkzeuge und auch wohl gegen Zerbrechen. Sie hängt ab vornehmlich von der Härte des Materials und von dessen Zähigkeit. Geprüft wird sie am besten durch unmittelbare Anwendung des bei der praktischen Bearbeitung beabsichtigten Zerlegungsverfahrens. In absolutem Maß läßt sich die Zerlegbarkeit nicht ausdrücken, man wird sie vielmehr immer nur durch Vergleich von zwei oder mehreren Stoffen relativ bestimmen können.

2. Die Umformbarkeit ist die Fähigkeit eines Materials, sich ohne Abtrennung einzelner Teile aus einer gegebenen Form in eine andre überführen zu lassen, und zwar entweder durch die mechanische Einwirkung äußerer Kräfte oder durch Gießen. – Die Umformbarkeit durch die Einwirkung äußerer Kräfte beruht auf der Zähigkeit des Materials. Die Verfahren zu ihrer Erprobung sind die Biegeprobe (s.d.) und die Schmiedeprobe. Letztere ist wieder zu unterscheiden a) nach dem Wärmezustand in Kalt- und Warmbiegeproben; b) nach der Art des Schmiedens in Ausbreite-, Stauch- und Aufdornprobe. Ferner gehören hierzu die Aufweitungs- und Bördelproben, wie sie für Kesselrohre im Gebrauch sind, und die Lochprobe (s.d.) sowie die Polterprobe.

a) Bei der Ausbreiteprobe wird das auf helle Rotglut erhitzte Versuchsstück, in der Regel flache Stäbe, unter der Hammerfinne an den Enden innerhalb der Länge l so weit ausgebreitet oder gestreckt, bis die Ränder rissig werden. Das Ausweiten erfolgt entweder unter einem schnell arbeitenden Hammerwerk oder von Hand. Die Hammerfinne soll nach 15 mm Halbmesser abgerundet sein und beim Schlagen quer zur gewünschten Ausbreitrichtung stehen. Als Gütemaß dient das Verhältnis b1/b · 100 = Ag der ursprünglichen Probenbreite b zu der bei eintretender Rißbildung erreichten Breite b1, oder das Verhältnis l1/l 100 = Sg beim Strecken von l auf l1. Ag soll bei Bauwerkseisen und Blechen aus Schweiß- und Flußeisen mindestens 1 : 1,5 betragen. Schweißeisen, welches hohen Schlackengehalt besitzt oder schlecht geschweißt und in der Luppe mangelhaft durchgearbeitet ist, wird beim Ausbreiten längsrissig (sogenannter Besenbruch), und sauerstoffreiches Flußeisen zeigt zackige Ränder. Zur Erzielung vergleichbarer Ergebnisse sind geometrisch ähnliche Proben zu verwenden.

b) Die Stauchprobe dient besonders als Güteprobe für Nieteisen. Bei ihr werden zylindrische Abschnitte, deren Länge gleich dem doppelten Durchmesser ist, in der Längsrichtung unter dem Hammer zusammengestaucht. Gutes Nieteisen soll sich rotwarm bis auf ein Dritteil, kalt bis auf die Hälfte seiner ursprünglichen Länge stauchen lassen, ohne Risse zu zeigen.

c) Die Aufdornprobe, auch »Rotbruchprobe« genannt, ist besonders bei Prüfung von Flußeisen im Gebrauch. Die Probestreifen sind zunächst im rotwarmen Zustande auf 6 mm Dicke und 40 mm Breite abzuschmieden, dann mit einem sich verjüngenden Lochstempel, dessen Durchmesser bei 80 mm Länge an dem einen Ende 20 mm, an dem andern 30 mm beträgt, ebenfalls rotwarm zu lochen, und schließlich ist das 20 mm weite Loch durch Eintreiben des Domes bis auf 30 mm zu erweitern. Die Lochwandungen dürfen hierbei keine Risse zeigen. Wegen der starken Abkühlungen der dünnen Lochwandungen an dem dicken Stempel ist die[245] Probe in den meisten Fällen wiederholt zu erhitzen. Der Dorn wird dann abwechselnd von beiden Seiten eingetrieben, um zu vermeiden, daß das Material der Lochwandung unter Bildung von scharfem Grat einseitig ausgezogen wird.

d) Die Aufweitungsprobe, zur Prüfung von Wasserröhren für Dampfkessel, wird durch Hämmern des Rohrendes über einem Dorn in kaltem Zustande bewirkt, wobei die Hammerfinne parallel zur Längsrichtung des Rohres steht. Gefordert wird, daß sich die Rohrenden auf 30 mm Länge aufweiten lassen:


Proben [2]

e) Die Bördelprobe erfolgt 1. an Rohren durch Umkrempen der Rohrenden in kaltem Zustande, nachdem die Probestücke zuvor ausgeglüht sind. Als Gütemaß dient der Umbördelungswinkel, wobei bestimmte Vorschriften für die Breite des Bördels innezuhalten sind. Die Würzburger Normen stellen folgende Bedingungen:


Proben [2]

Die Materialvorschriften der deutschen Kriegsmarine schreiben vor, daß das Rohr nach Bördelung um 90° zunächst nochmals auszuglühen ist, sofern größere Bördelwinkel als 90° vorgeschrieben sind. 2. Bei Blechen wird die Bördelprobe, hier auch »Aufbruchprobe« genannt, in der Weise ausgeführt, daß man das Versuchsstück mit einem Loch von vorgeschriebenem Durchmesser versteht und hieraus einen Bördel von bestimmter Höhe und bestimmtem Durchmesser herausbördelt, wobei keine Risse entstehen dürfen.

f) Bei der Polterprobe muß sich in das Blech eine Kugelhaube (s. die Figur) von bestimmtem Durchmesser d und bestimmter Höhe h eintreiben lassen, ohne daß Risse oder unganze Stellen sich zeigen.

Zur Prüfung der Umformbarkeit durch Gießen gehören neben der Bestimmung des Schmelzpunktes die Ermittlungen der Neigung zum Abschrecken, der Dünnflüssigkeit, der Schwindung und der Neigung zum Saugen (Lunkern); vgl. Gußeisenprüfung.

3. Die Zusammenfügbarkeit der Baustoffe beruht, wenn das Zusammenfügen durch Anwendung besonderer Bindemittel (Leim, Mörtel u.s.w.) erfolgen soll, auf deren Oberflächenbeschaffenheit und bei unmittelbarer Vereinigung der Stücke auf der Schweißbarkeit des Materials. Um letztere zu prüfen, werden zwei hinreichend lange Probeabschnitte an einem Ende durch Schmieden abgeschrägt und dann in Schweißhitze, in der Regel unter Anwendung von Quarzsand, zusammengeschweißt. Bei nicht schweißbarem Material haften die Teile überhaupt nicht aneinander. Ist Schweißung eingetreten, so wird ihre Güte entweder durch Biegeproben oder Zerreißproben ermittelt. Bei der Biegeprobe wird das Stück in der Mitte der Schweißstelle ringsum eingehauen und durchgebrochen. Bei mangelhafter Schweißung erfolgt kein vollständiger Querbruch, sondern letzterer geht nur bis zur Schweißfuge und verläuft dann in der Längsrichtung des Stückes, der Schweißfuge folgend. Die Vorschriften der deutschen Kriegsmarine fordern Biegeproben mit nicht eingekerbten Proben, wobei die Schweißnaht sich nicht öffnen darf.

Zur Prüfung der Schweißbarkeit durch Zerreißversuche sind neben den geschweißten auch ungeschweißte Stäbe desselben Materials zu prüfen, und zwar beide in ausgeglühtem Zustande, um die Vergleichswerte von der vorausgegangenen mechanischen Bearbeitung des Materials unabhängig zu machen. Die Schweißnaht muß selbstverständlich zu beiden Seiten von der Versuchslänge (s. Zerreißversuch) überragt werden. Ferner empfiehlt es sich, das Verhältnis zwischen der Größe der Schweißfläche und dem Stabquerschnitt stets gleichgroß zu wählen. In der Regel wird verlangt, daß die Zugfestigkeit der geschweißten Probe mindestens 90% derjenigen der ungeschweißten beträgt.


Literatur: [1] Martens, Handbuch der Materialienkunde. – [2] Materialvorschriften der deutschen Kriegsmarine, 1905. – [3] Normalbedingungen für die Lieferung von Eisenkonstruktionen für Brücken- und Hochbau, aufgestellt von dem Verbände deutscher Architekten- und Ingenieurvereine, dem Verein deutscher Ingenieure und dem Verein deutscher Eisenhüttenleute, 1902. – [4] Grundsätze für die Prüfung von Schweiß- und Flußeisen zum Bau von Dampfkesseln (Würzburger Normen 1905). – [5] Vorschriften für Lieferung von Eisen und Stahl, aufgestellt vom Verein deutscher Eisenhüttenleute. – [6] Grundsätze für einheitliche Materialprüfungen, aufgestellt vom Deutschen Verbände für die Materialprüfungen der Technik, 1900.

Rudeloff.

Proben [2]
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 7 Stuttgart, Leipzig 1909., S. 245-246.
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