Wasserreinigung [1]

[868] Wasserreinigung, die Befreiung des Wassers von Zumischungen, welche für die weitere Verwendung desselben unerwünscht sind.

Die Reinigung städtischer Abwasser s. unter Kläranlagen, Berieselung mit städtischem Kanalwasser und Flußverunreinigung; jene der Abwasser im Bergbau s. Klärung der Waschwasser; vgl. a. Abwasser und [1], ferner Ablagerungsbassin, Filter, Filterpressen und Kesselsteinmittel. Die Entfernung der Suspensionen erfolgt durch Klärbassins und Filter (s.d. und [2], S. 340–345); im folgenden soll deshalb nur die Wasserreinigung für gewerbliche Zwecke besprochen werden.

Die Entfernung des Eisens sowie der Kalk- und Magnesialösungen aus dem Wasser ist dringend geboten bei Dampfkesselspeisungen (s. Kesselreinigung, Kesselspeisewasserreiniger, Kesselstein, Kesselsteinmittel). Zerstörend auf die Kesselbleche wirkt die Anwesenheit von Ammoniaksalzen, zerlegbaren Fetten, Kohlensäure, Luft, Humussäure, Chlormagnesium u.s.w.; Petroleumzusatz (vgl. D.R.G.M. Nr. 73989) ist zur Abbröckelung von Kesselsteinschichten zwar dienlich, aber wegen entfliehender Wärmestauungen gefährlich. – Bei der Bleicherei, Druckerei, Färberei, Papierfabrikation, Tuchfabrikation, bei Waschanstalten u.s.w. ist die Härte des Wassers (s. S. 840) ebenfalls schädlich, noch mehr der Rostflecken erzeugende Eisengehalt. Besonders beim Färben verhindern die Kalk- und Magnesiasalze das gleichmäßige Angehen der Farbstoffe. Beim Entfetten und Waschen der Wolle bilden sich aus kalkhaltigem Wasser Kalkfelsen auf den Fasern, welche die Färbung erschweren; auch wird durch Bildung von fettsauerm Calcium und Magnesium ein Teil der Seife unwirksam gemacht, was besonders bei Waschanstalten und bei der Papierfabrikation (Zersetzung der Harzseife) empfindlich ist. Bei der Leimfabrikation ist weiches, eisenfreies Wasser unbedingt erforderlich, ebenso in Stärkefabriken, Brennereien, Glasfabriken u.s.w. – Harte Wasser sind nur in der Seidenfabrikation, in der Lederfabrikation zum Schwellen der Häute, bei der Malzbereitung, in der Brauerei und als Trinkwasser benutzbar; indessen ist auch in diesen Fällen der Eisengehalt stets schädlich. Wasser, welches Nitrate, Alkalikarbonate und Sulfate enthält, eignet sich nicht zur Zuckerfabrikation; auch bei der Tonwarenfabrikation soll das Wasser frei sein von Sulfaten und Chloriden. – Ammoniak- oder schwefelwasserstoffhaltige, mit übermäßig viel organischer Substanz oder faulenden Stoffen beladene und gefärbte Wasser sind für Gewerbebetrieb und Wasserversorgung unbrauchbar. Zur Entfernung von Säuren aus Gebrauchswässern hat Wehner-Frankfurt a.M. ([2], S. 353) die Vakuumrieselung empfohlen und in der neueren Zeit praktisch ausgebildet.

Eisen entfernt man aus dem Wasser durch Oxydation des im Wasser gelösten Eisenoxyduls zu unlöslichem Eisenoxydhydrat; sie erfolgt zum Teil von selbst, wenn das Wasser in seichten Kanälen geleitet wird, durch das Entweichen der Kohlensäure und Berührung mit der atmosphärischen Luft. Die Ausscheidung des Eisens erfolgt auch durch Erwärmung und kann dadurch beschleunigt werden, daß man entweder nach Oesten [3] das Wasser mittels Regenbrausen mit der Luft in Berührung bringt oder nach Piefke [4] durch Regenbrausen über ein Koksfilter ergießt, wobei es mit großen Flächen in Berührung tritt, auf welchen sich die Zersetzung des Eisenoxyduls unter Einwirkung von Luft rasch vollzieht. In beiden Fällen wird der Niederschlag (Eisenoxydhydrat) in Filtern zurückgehalten, unter welchen dann reines, eisenfreies Wasser abfließt; Näheres s. [5]. Ein weiteres Verfahren haben Defeniß und Jacobi-Hamburg und Darapsky ([2], S. 350) ausgebildet, bei welchem die Belüftung des Wassers im geschlossenen Wasserstrom erfolgt. Vgl. a. D.R.P. Nr. 114709, 115519, 125395, 126808, 141278, 142929, 145797, 148404, 153472, 154792, 168631, 179417, 180687 u.s.w. Die meisten der unten für Entfernung der Kalksalze arbeitenden Firmen stellen auch Enteisenungsanlagen her.

Die Entfernung der Kalksalze aus dem Wasser erfolgt meist durch kohlensaures Natron (Soda) und Kalkmilch (Kalkwasser); mit ersterem fällt man die an Säuren gebundenen Kalksalze, mit letzterer die Bikarbonate des Kalkes und auch der Magnesia. Die an Schwefelsäure, Salpetersäure oder Chlor gebundene Magnesia wird mit Aetznatron ausgefällt. Ohne Kalkmilch arbeiten jene Verfahren, welche den schwefelsauern Kalk mit Soda ausscheiden und durch Erwärmung des Wassers bis nahe an den Siedepunkt die doppeltkohlensauern Salze zersetzen. – Jeder Grad der temporären oder schwindenden Härte (s. Wasser) erfordert pro Kubikmeter ca. 10 g Calciumoxyd, jeder Grad der permanenten Härte ca. 20 g kohlensaures Natron. Zur Verwendung gelangen gebrannter fetter Kalk und calcinierte Soda (s. S. 143), welch letztere ca. 98% kohlensaures Natron enthält. Patente und Firmen für die mit Kalk und Soda arbeitenden Apparate sind sehr zahlreich; wir verweisen auf die Kataloge von Babcock & Wilcox-Oberhausen (D.R.P. Nr. 175192), Breuer-Höchst a. M., Büttner-Uerdingen, Dehne-Halle (D.R.P. Nr. 34415, 43825, 82030), Grimme-Natalis Co.- Braunschweig (D.R.P. Nr. 45708), Gutmann-Hamburg, Halvor-Breda-Berlin, Humboldt-Kalk (D.R.P. Nr. 34914, 38032, 59229), Keferstein-Braunschweig, Körting-Körtingsdorf (D.R.P. Nr. 160131, 161742), Kröhnke-Hamburg (D.R.P. Nr. 146402), Kyll-Cöln (D.R.P. Desrumaux Nr. 66034, 167796), Reichling-Dortmund, Reisert-Cöln (D.R.P. Dervaux Nr. 48268, 61025, 61029, 72007, 84660, 97438), Schröter-Reppen, Schumacher-Cöln, Schumann u. Co.-Düsseldorf, Seiffert-Halle, Seitz-Nürnberg, Steinmüller-Gummersbach u.s.w.; ferner auf die D.R.P. Nr. 58676, 72052, 96061, 97079, 105849, 107948, 134093, 134770, 137271, 137426, 138555, 140990, 141667,[868] 146404, 157810, 158326, 159378, 160683, 162778, 162861, 163749, 164713, 166854, 168631, 172761, 174060, 175192, 175371, 179011, 180184 u.s.w. Im allgemeinen geht bei hoher Wassertemperatur die Abscheidung der Salze rascher und vollständiger vor sich als bei kaltem Wasser; auch werden im ersteren Falle Kohlensäure und Luft ausgetrieben. Die Feststellung der Zusätze ist natürlich nur nach genauer Analyse des Wassers möglich, und da letzteres seine Beschaffenheit vielfach ändert, so müssen auch die Zusätze verschieden dosiert werden. Die Untersuchung des gereinigten Wassers auf die Richtigkeit der angewendeten Zusätze s. [6]. – In der Hauptsache dienen die Apparate zur Reinigung von Kesselspeisewasser (Speisewasserreiniger) und zwar wird dieses sowohl im Kessel selbst (s. Kesselreinigung, Bd. 5, S. 445, und [7]) als auch vor dessen Eintritt in den Kessel durch Vorwärmen und Vorreinigen [8] vollzogen. Fig. 1 gibt nach [6], S. 15, ein Bild des Verfahrens der Vorreinigung mit Kalk und Soda; in vielen Fällen wird ein besonderes Filter für das aus dem Reinigungsraum S austretende Wasser entbehrlich. Als ein Uebelstand der Reinigung mit Kalk und Soda wird die Bildung von doppeltkohlensauerm Natron empfunden, das mit dem Speisewasser in den Kessel gelangt und sich dort infolge der starken Erwärmung wieder in Soda zurückverwandelt. Es entsteht dann nicht nur ein unnötig großer Verbrauch von Soda, sondern vielfach auch ein lästiges Schäumen des Kesselwassers mit unliebsamen Nebenerscheinungen (z.B. eine Inkrustation der Kesselarmaturen, das »Spucken« der Lokomotiven u.s.w.). Reichling-Dortmund hat zur Vermeidung dieser Uebelstände ein Regenerativverfahren ausgebildet, bei dem ein Teil des heißen sodahaltigen Kesselwassers zur Erwärmung des zu reinigenden Rohwassers und gleichzeitig wieder zum Fällen des doppeltkohlensauern Kalkes benutzt wird, so daß bei seinen Apparaten nicht mehr als die zum Zersetzen des etwa vorhandenen schwefelsauern Kalks, des Chlorcalciums u.s.w. nötige Soda erforderlich ist. Gründlichere Abhilfe scheint das von Reisert-Cöln ausgebildete Barytverfahren zu schaffen, bei dem kohlensaurer Baryt in größeren Mengen in den Reinigungsapparat verbracht wird (bei Anwesenheit von doppeltkohlensauerm Kalk unter Zugabe einer Aetzkalklösung). Sowohl die freie als die gebundene Schwefelsäure wird von dem kohlensauern Baryt aufgenommen; insbesondere der hauptsächlichste Kesselsteinbildner, der schwefelsaure Kalk, wird in einfach kohlensauern Kalk und schwefelsauern Baryt umgesetzt, die als Schlamm ausfallen. Ueberschüssiger kohlensaurer Baryt ist im Wasser sehr schwer löslich; von den in dem Apparat befindlichen Vorräten wird also annähernd nur so viel verbraucht, als durch die Schwefelsäure im Rohwasser bedingt ist. Das Verfahren wird in neuester Zeit vielfach angewendet.

Bei der Wiederverwendung von Abdampf- und von Kondensationswassern (zur Kesselspeisung oder zu andern Zwecken) erweist sich – aus bekannten Gründen – eine Entfettung (Entölung) als notwendig. Trotz verschiedener Bedenken gegen diese Wiederverwendung (vgl. [9]) sind in neuester Zeit – schon wegen der Rückgewinnung der Fette u.s.w. – zahlreiche Einrichtungen für diese Entfettung im Gebrauch (vgl. a. Oelabscheider). Grundsätzlich unterscheiden sich dieselben voneinander durch das Verfahren der direkten Abscheidung mittels Abstehenlassen der Kondensate bezw. rein mechanische Fällung des Oels aus dem Wasserdampf oder durch Anwendung chemischer Zusätze zum Zweck der Flockenbildung u.s.w. Filtertücher, welche der Dampf durchdringt und mit Oel sättigt, sind in [9] beschrieben; zwei hintereinander geschaltete, mit präpariertem Zellstoff gefüllte Behälter, wie in Fig. 2 dargestellt (System Breda-Holzt), arbeiten nach gleichem Prinzip. Bei den von H. Schafstädt-Gießen in den Handel gebrachten Zentrifugalabdampfentölern dringt der ölige Dampf in einer[869] mit durchlochtem Mantel umgebenen Spirale abwärts, schleudert Oel und Wasser durch den Mantel aus und strömt sodann durch ein im Innern des Apparates angebrachtes Kernrohr weiter (vgl. die Prospekte der genannten Firma). Bei den sogenannten Stoßkraftdampfentölern wird der ölhaltige Dampf zunächst in viele schmale Streifen geteilt und sodann nach besonderen Oelfängern getrieben, aus welchen die abgeschiedenen Oelteilchen nach besonderer Oelkammer abfließen, aus welcher sie ständig oder nach Oeffnen eines Ablaßhahnes abgelassen werden können. Fig. 3 stellt einen derartigen Apparat von Scheer & Co.-Feuerbach dar (vgl. die Prospekte von Brunner & Bühring-Mannheim). Der Abfluß von mechanisch abgetrenntem Oel und Wasser gelangt entweder in Klärbassins oder in besondere Oelabscheider, wie sie z.B. in Fig. 4 dargestellt sind. – Unter Anwendung chemischer Zusätze arbeitende Apparate beschränken sich auf Entölung von Kondensationswasser und wirken ähnlich wie die früher beschriebenen Speisewasserreiniger; nahezu alle Firmen, welche letztere herstellen, bauen auch Apparate für Kondensationswasserentölung. Eine Flockenbildung erzeugt auch die elektrolytische Ausscheidung von Oel aus dem Kondensationswasser [10].

Zur Reinigung des Wassers von organischen und organisierten Substanzen benutzt man auch Zusätze von Kaliumpermanganat, Kupfervitriol u.s.w.; sie vollzieht sich übrigens in der Regel gleichzeitig mit dem Fällen der Bikarbonate durch Kalkmilch (s. Kläranlagen) und ebenso in den Sandfiltern u.s.w. In neuerer Zeit hat sich – besonders zur Befreiung des Trinkwassers von pathogenen Keimen – das Ozonisieren des Wassers ausgebildet; wir verweisen auf die Prospekte von Siemens & Halske-Berlin und auf [2], S. 375, woselbst zahlreiche Literaturangaben. Große Verbreitung hat das Verfahren bis jetzt nicht gefunden.

Hat das Wasser eine Färbung durch organische Stoffe – z.B. bei Herkunft von Torfmooren – so kann dieselbe durch Zusatz von Aluminiumsulfat oder Eisenchlorid mit etwas Kalkmilch beseitigt werden; mit denselben Mitteln erfolgt auch die Geruchbeseitigung (Desodorisierung) bei ammoniakhaltigen und schwefelwasserstoffhaltigen Wassern.


Literatur: [1] Dunbar, Leitfaden für die Abwasserreinigungsfrage, München und Berlin 1907, mit zahlreichen Literaturangaben; Lübbert, A., Einführung in die Frage der Abwasserreinigung, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1909, S. 26, 57, 135; Aufbereitung der Fabrikationsabwasser u.s.w., Gesundheitsingenieur 1898, S. 400 ff. – [2] Lueger, O., Die Wasserversorgung der Städte, 2. Abt., Leipzig 1908. – [3] Oesten, G., Ausscheidung des Eisens aus eisenhaltigem Grundwasser, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1890, S. 1343; Ders., Ausscheidung des im Grundwasser der nordd. Tiefebene enthaltenen Eisens, Gesundheitsingenieur 1890; Ders., Enteisenung des Grundwassers, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1900, S. 976; 1906 S. 1114. – [4] Piefke, Reinigung des Wassers von Eisen, Journ. s. Gasbel. u. Wasservers. 1891, S. 61. – [5] Bericht über die 21. Versammlung des Deutsch Ver. s. öffentl. Gesundheitspflege zu Kiel, Braunschweig 1897, S. 9–55; Fischer, F., Das Wasser, seine Verwendung, Reinigung und Beurteilung, Berlin 1898. – [6] Morgenstern, C., Wasservorwärmer und Vorreiniger, Stuttgart 1900. – [7] Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1907 S. 1513, u. 1908 S. 1134. – [8] Rottmann, Die mechanische Klärung und Filterung im Wasserreiniger, ebend. 1906, S. 1947. – [9] Ebend. 1906, S. 1742 u. 1779; 1907, S. 1641. – [10] Ebend. 1907, S. 761.

Lueger.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.
Fig. 3.
Fig. 3.
Fig. 4.
Fig. 4.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 868-870.
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