Apis [2]

[617] Apis, der von den Ägyptern in Memphis verehrte heilige Stier (hap). Er galt als die Verkörperung des Hauptgottes von Memphis Ptah und wurde gewöhnlich »die lebende Wiederholung, des Ptah« genannt. Von den Griechen wurde der A. als eine Inkarnation des Osiris gehalten. Man erzählte, daß, wenn ein A. gestorben war, ein Lichtfunke vom Himmel herniederfuhr und den neuen A. mit einer jungfräulichen Kuh zeugte, die nachher nicht wieder gebar. An besondern Abzeichen wurde er erkannt; er war schwarz, hatte auf der Stirn ein weißes Dreieck, auf dem Rücken das Abbild eines Adlers, am Schweif zweierlei Haare, unter der Zunge einen käferartigen Knoten (scarabaeus) und an der rechten Seite einen weißen Fleck, ähnlich dem Mond, wenn er zu wachsen anfängt. Die ägyptischen Darstellungen zeigen in der Tat auf der Stirn ein Dreieck, an der Seite schwarze Flecke und auf der Brust manchmal einen Halbmond; auf dem Kopf tragen seine Bildnisse die Sonne mit der Uräusschlange. War ein neuer A. gefunden, so wurde ihm am Ort seiner Geburt ein nach Osten gelegenes Haus errichtet, in dem er vier Monate lang mit Milch genährt ward. Mit dem Neumond erfolgte seine Abführung nach Nilopolis; von hier gelangte er nach 40 Tagen auf einer geweihten Gondel in einem vergoldeten Zimmer nach Memphis, wo ihm beim Heiligtum des Ptah (Phtha) eine Wohnung mit zwei kostbaren Gemächern erbaut wurde, und wo er die sorgfältigste Pflege genoß. Beweise seiner Gottheit gab er durch Orakel, die von dem Wechsel seiner beiden Gemächer sowie von der Annahme oder Nichtannahme von Speise aus der Hand des Fragenden ausgingen. Bei festlicher Versammlung wurden ihm Opfer dargebracht, und zwar nur Tiere seines Geschlechts, besonders durchaus rote Ochsen, deren Reinheit vorher streng geprüft war. Die größte ihm veranstaltete Feier war sein Geburtsfest (beim Steigen des Nils): bei Memphis wurde eine goldene und eine silberne Schale in den Nil gesenkt und der A. in Prozession umhergeführt. Mehrfach wird von den Griechen angegeben, daß der A. nur 25 Jahre leben durfte, und wenn er nicht vorher gestorben war, von den Priestern in einen Brunnen gestürzt wurde. Wie der Mensch, so wurde auch der A. nach dem Tod Eins mit Osiris (s. d.) und geradezu als Osiris-Apis (griech. Osorapis) bezeichnet. Er galt als eine Art Totengott und wurde wie Osiris »Herr der Westlichen« (d.h. der Toten) genannt. Der verstorbene A. wurde mit feierlichem Gepränge in der Totenstadt von Memphis (bei Sakkâra) bestattet. Unter Ramses II. wurde eine gemeinsame Begräbnisstätte für die A. angelegt, die aus einem 100 m langen unterirdischen Gang bestand und durch Psammetich I. bedeutend erweitert wurde. Über diesen unterirdischen Räumen erhob sich ein großer Kulttempel. Diese Apisgrüfte (das sogen. Sarapion von Memphis), die einen berühmten Wallfahrtsort bildeten, sind 1851 von Mariette wieder entdeckt und in ihnen noch 24 Sarkophage gefunden worden (vgl. »Bulletin archéologique de l'Athénaeum français«, 1856, Nr. 5–7; Mariette, Le Sérapéum de Memphis, Par. 1882). Als die Griechen in Ägypten den A. kennen lernten, nannten sie ihn Epaphos und machten ihn zum Sohn der mit der Isis identifizierten Jo. Mit dem Gott Serapis (s. d.) hat der A. nichts gemein. – Nach Mahlers Feststellungen (»Die Apisperiode der alten Ägypter«, Wien 1894) wurde der A. als lebendiges Symbol des Mondes angesehen und mit dem Vollmond identifiziert. Die Apisperiode von 25 Jahren war eine rein astronomische Vollmondsperiode; sie ist gleich 309 synodischen Monaten, und nach ihr kehren die Mondphasen an den nämlichen Tagen des Jahres in gleicher Ordnung wieder.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 617.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: