Astigmatismus

[901] Astigmatismus (griech., »Punktlosigkeit«), die Eigenschaft von Linsen, als Bild eines Punktes im allgemeinen nicht genau einen Punkt, sondern je nach der Entfernung vom Schirm eine kleine Linie, eine Ellipse oder einen Kreis (Kreis der kleinsten Konfusion) zu geben. Linienförmige Bilder werden in zwei Abständen erhalten, und zwar sind beide Linien zueinander senkrecht. Nur ein durch die Mitte der Linse gehendes Strahlenbündel ist anastigmatisch, d.h. gibt ein genau punktförmiges Bild und nur dann, wenn die Linse von genauen Kugelflächen begrenzt ist. – A. heißt auch eine Sehstörung, bei der die Gegenstände verzogen und mit verschwommenen Konturen erscheinen, beruht auf einer Asymmetrie des lichtbrechenden Apparats im Auge, zunächst auf einer unregelmäßigen Krümmung der Hornhautoberfläche und der Kristalllinse. Auch am gesunden Auge sind die genannten Teile nicht vollkommen symmetrisch gebaut, allein die Asymmetrie ist hier so geringfügig, daß sie für gewöhnlich von keiner wahrnehmbaren Störung begleitet ist. Die Gegenstände werden verzogen und an den Rändern verschwommen gesehen, ohne scharfe Grenzen. Ein Lichtpunkt erscheint als senkrechter oder wagerechter Lichtstreifen. Der A. ist in der Regel, wenigstens in seiner Anlage, angeboren und erweist sich öfters als erblicher Zustand. Bei männlichen Individuen scheint er öfter als bei weiblichen vorzukommen. Er betrifft gewöhnlich beide Augen, diese aber nicht immer in gleichem Grade. Die den A. charakterisierende Gesichtsstörung wird gewöhnlich erst in den spätern Kinderjahren entdeckt. Solange die Akkommodation des Auges noch eine sehr leichte ist, macht sich der Fehler weniger fühlbar, wird auch wohl ganz übersehen. Sobald aber im reisen Alter die Akkommodationsbreite mehr und mehr abnimmt, werden selbst schwächere Grade des A. unangenehm empfunden. Ist nur ein Auge von stärkerm A. betroffen, so vernachlässigt der Kranke gewöhnlich dieses Auge und richtet seine Aufmerksamkeit nur auf diejenigen Eindrücke, die ihm das gesunde Auge vermittelt. Der A. kann erworben werden durch alle entzündlichen Prozesse, in deren Gefolge die Hornhaut Hervorwölbungen oder Verflachungen erleidet. Bei trüben Flecken oder Narben in der Hornhaut ist der A. fast immer, nach Staroperationen oft in sehr fühlbarer Weise vorhanden. Der A. kann korrigiert werden durch Glaslinsen, sogen. Zylindergläser, durch welche die Asymmetrie des optischen Apparats ausgeglichen werden kann. Ist der A. mit Kurzsichtigkeit oder Übersichtigkeit verbunden, so werden sphärisch-zylindrische Brillengläser angewendet, d.h. Gläser, deren zylindrisch geschliffene Fläche den A. korrigiert, während die andre, sphärisch geschliffene, zur Korrektur der Kurzsichtigkeit oder Weitsichtigkeit bestimmt ist. Vgl. Donders, Die Anomalien der Refraktion und Akkommodation des Auges (deutsch von O. Becker, Wien 1866).[901]

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 1.
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