Augsburger Religionsfriede

[116] Augsburger Religionsfriede, der Vertrag, wodurch auf dem am 5. Febr. 1555 vom König Ferdinand, Bruder Kaiser Karls V., eröffneten Reichstag in Augsburg 25. Sept. 1555 die kirchlichen Verhältnisse Deutschlands endgültig geregelt wurden. Die Reichsstände erhielten das jus reformandi, wie schon 1526 auf dem ersten Reichstag von Speyer, und volle Gleichberechtigung, ob sie sich zur Augsburger Konfession oder zum Katholizismus bekannten. Die Territorien der evangelischen Stände wurden der Amtsgewalt des Episkopats entzogen, und die bis zum Passauer Vertrag erfolgte Einziehung und Säkularisation von Kirchengütern anerkannt. Bezüglich der geistlichen Reichsstände und ihrer Untertanen verlangten die Protestanten, es solle allen geistlichen und weltlichen [116] Reichsständen freistehen, samt ihren Untertanen entweder in der alten Kirche zu verbleiben, oder in die der Augsburgischen Konfessionsverwandten sich zu begeben. Die Mehrzahl der Katholiken trat. aber dem entschieden entgegen und verlangte, daß jeder geistliche Fürst, der die alte Kirche verlasse, seines Standes und Amtes verlustig werde. Man nannte dies den geistlichen Vorbehalt (reservatum ecclesiasticum). Dieser ward zwar schließlich in den Vertrag aufgenommen und als Reichsgesetz ausgesprochen, aber mit der ausdrücklichen Erklärung, daß die evangelischen Stände ihm nicht zugestimmt hätten. Hinsichtlich der im Passauer Vertrag noch nicht geregelten Frage, ob die geistlichen Fürsten ihre bereits damals protestantisch gewordenen Untertanen zwingen dürften, zum Katholizismus zurückzukehren, kam man, da die Katholiken dies durchaus verlangten, auch hier nur zu einer königlichen Deklaration zugunsten der Protestanten, die unter ausdrücklichem Protest der katholischen Fürsten erlassen wurde. Der Religionsfriede stellt ein aus dem allgemeinen Friedensbedürfnis hervorgegangenes Kompromiß dar; die Anerkennung des Reiches erhielten nur die Augsburgischen Konfessionsverwandten, nicht die Sektierer, auch nicht die Reformierten. Für die Ketzer ward die Todesstrafe abgeschafft und ihnen freie Auswanderung zugestanden; die Religionsfreiheit galt nur für die Reichsstände, nicht für die Untertanen. Wenn der A. R. auch keinen völligen konfessionellen Frieden gebracht hat, so hat er doch die bis zum Westfälischen Frieden geltende Rechtsgrundlage in allen religiösen Streitfragen abgegeben. Vgl. Lehmann, Acta publica de pace religionis (Frankf. 1631 und 1707–11, 3 Bde.); Ranke, Zur deutschen Geschichte (2. Aufl., Leipz. 1874); Wolf, Der A. R. (Stuttg. 1890).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 116-117.
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