Auspizĭen

[147] Auspizĭen (lat. Auspicia), bei den Römern eigentlich die Beobachtung der durch Vögel gegebenen Zeichen (auguria), dann aber auch andrer, aus denen man schloß, ob eine vorzunehmende Handlung der Gottheit genehm sei oder nicht. Für jede wichtigere Staatshandlung in Frieden und Krieg war am Tag und Ort, wo sie stattfinden sollte, die Anstellung von A. unter der Aussicht eines Augurn (s. d.) im Auftrag eines Staatsbeamten erforderlich; denn nur solche hatten Recht wie Pflicht, für den Staat A. einzuholen, daher Beamtengewalt (imperium) und Zeichenschau (auspicia) gleichbedeutend sind. Die Zeichen sind erbetene oder sich von selbst darbietende. Von erstern erfordern die Vogelzeichen (signa ex avibus) und Himmelszeichen (signa ex caelo, Donner und Blitz) einen vom Augur hergestellten quadratischen Visierraum (templum) und in dessen Mitte ein Zelt (tabernaculum) mit südlichem Eingang, von dem aus die Beobachtung erfolgt: die von O., also links kommenden Zeichen gelten als günstig. Bei den als weissagend geltenden Vögeln unterschied man alites, bei denen zugleich die Art des Fluges, und oscines, bei denen auch die Stimme in Betracht kam. Die dritte Gattung dieser Art waren die gewöhnlich im Feldlager eingeholten signa ex tripudio, aus dem Gebaren junger Hühner beim Fressen: gieriges Fressen und Herausfallen der Speise aus dem Schnabel galt als günstig (vgl. Alektryomantie). Die nicht erbetenen Zeichen waren meist ungünstig, geradezu die signa ex divis, wie Gewitter und das Umfallen eines Epileptischen in der Volksversammlung, die dann sofort aufgelöst werden mußte. Allmählich sanken die A. zur bloßen Form herab und wurden zu politischen Zwecken[147] gemißbraucht. Die bloße Versicherung eines die A. führenden Beamten, einen Blitz beobachtet zu haben, führte die Auflösung einer Volksversammlung herbei, und das in späterer Zeit beim Amtsantritt erforderliche Blitzzeichen wurde als von links erfolgt fingiert. – Unter günstigen A. ist soviel wie unter günstigen Vorzeichen; unter den A. jemandes soviel wie unter Oberleitung jemandes.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 147-148.
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