Bingen

[883] Bingen, Kreisstadt in der hess. Provinz Rheinhessen, in reizender Lage, 80 m ü. M., links am Rhein, an der Mündung der Nahe, über welche die alte sogen. Drususbrücke und eine Eisenbahnbrücke führen, Knotenpunkt der Staatsbahnlinien Mainz-Koblenz und Worms- B., hat eine evangelische und 3 kath. Kirchen (die gotische Pfarrkirche aus dem 15. Jahrh. mit Krypte aus dem 11. Jahrh.), 2 Synagogen, ein Rathaus im mittelalterlichen Stil, einen Hafen, ein Elektrizitätswerk, Zigarren-, Stärke-, Schaumweinfabrikation, Gerberei, Bierbrauerei, Weinbau, Weinhandel, Speditionshandel, Schiffahrt und (1900) 9600 meist kath. Einwohner. B. ist Sitz eines Amtsgerichts, einer Handelskammer, einer Reichsbanknebenstelle, eines Hauptsteueramts, einer Oberförsterei und hat ein Technikum, eine Realschule mit Progymnasium, eine Baugewerk- und Gewerbeschule und ein Institut der Englischen Fräulein. Über der Stadt die Burg Klopp, neuerdings wiederhergestellt, seit 1900 städtisches Besitztum, mit vortrefflicher Aussicht; unweit liegt der Rochusberg mit der Rochuskapelle, 1889 durch Blitzstrahl zerstört, 1895 schöner und größer wieder aufgebaut. Unterhalb der Stadt ist das Binger Loch, eine für die Schiffahrt sonst sehr gefährliche Stromenge, die jedoch 1834 verbreitert und fahrbar gemacht ist. Hier steht mitten im Strom auf einem Felsen der sogen. Mäuseturm (nach einigen soviel wie Mautsturm, nach neuerer Forschung aber von Muserie, »Geschütz«, abzuleiten), in dem der Sage nach der Erzbischof Hatto II. von Mainz 969 von den Mäusen gefressen ward. – B. (Vincum oder Bingium), eine Stadt der Vangionen, gehörte zur Römerzeit zum belgischen Gallien. Drusus erbaute hier 13 v. Chr. ein Kastell, dessen Reste sich noch heute bei der Ruine Klopp finden, und über die Nahe eine Brücke. Die Stadt, im Rheingau belegen, erscheint Ende des 10. Jahrh. im Besitz der Erzbischöfe von Mainz, die sie 1437 an das Mainzer Domkapitel abtraten. In der Burg Klopp wurde Kaiser Heinrich IV. 1105 von seinem Sohn gefangen gehalten. 1254 trat B. dem rheinischen Städtebund bei. 1639 wurde es vom Herzog Bernhard von Weimar, 1640 von den Kaiserlichen und 1644 von den Franzosen erobert, die[883] 1689 die Burg nochmals nahmen und sprengten, die Stadt selbst aber in Asche legten. Von 1797–1814 gehörte B. zu Frankreich und fiel 1815 an das Großherzogtum Hessen. Nach der Sage liegt bei B. der Nibelungenhort im Rhein verborgen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 883-884.
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