Bratianu

[345] Bratianu, 1) Demeter, rumän. Politiker, geb. 1818 in Bukarest, gest. 21. Juni 1892, studierte in Paris, mußte 1848 fliehen, hielt sich in England auf, kehrte 1859 nach Rumänien zurück, ward Mitglied des Diwans, 1867–68 unter seinem Bruder Ioan (s. unten) Unterrichtsminister, war dann Gesandter in Konstantinopel und April bis Juni 1881 Ministerpräsident. Ehrgeizig und ränkesüchtig, stellte er sich an die Spitze einer besondern Gruppe der liberalen Partei und trug zu deren Zerrüttung und zum Sturze des Ministeriums seines Bruders bei.

2) Ioan, rumän. Staatsmann, Bruder des vorigen, geb. 1821 in Bukarest, gest. 16. Mai 1891 in Florica, in Paris gebildet und dort für republikanische Ideen gewonnen, mußte nach dem Fehlschlagen der rumänischen Revolution von 1848 nach Frankreich fliehen, kehrte 1857 zurück, betrieb die Union der Walachei und Moldau unter dem Fürsten Cusa, erlangte jedoch erst 1866 mit des Fürsten Karl von Hohenzollern Regierungsantritt als Führer der Roten (Liberalen) größern Einfluß. Vom März 1867 bis Ende 1868 gehörte er den am Ruder befindlichen liberalen Ministerien teils als Minister des Innern, teils der Finanzen (Strousbergs Eisenbahnbau) an und stand dann an der Spitze der Opposition gegen die konservative Regierung. Nachdem er Anfang 1876 in dem Koalitionsministerium das Finanzportefeuille übernommen hatte, trat er 24. Juni 1876 als Haupt der nationalliberalen Partei an die Spitze der Regierung und blieb mit einer kurzen Unterbrechung (1881 Demeters Präsidentschaft) in dieser Stellung bis 1. April 1888. Er erzielte durch Umsicht und Mäßigung große Erfolge, setzte Rumänien in den Stand, im russisch-türkischen Kriege 1877–78 eine hervorragende Rolle zu spielen, erlangte für sein Land die Unabhängigkeit und die Königswürde und sicherte durch Verstärkung seiner Streitkräfte und eine weise Friedenspolitik seine Machtstellung. Auch auf finanzpolitischem und wirtschaftlichem Gebiet (Verstaatlichung der Eisenbahnen, Heranbildung eines nationalen Kaufmannsstandes, Begründung einer Nationalbank und ländlicher Kreditinstitute), im Schul- und Verkehrswesen verdankt ihm Rumänien wertvolle Errungenschaften.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 345.
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