Camĕra obscura

[717] Camĕra obscura (lat., »finstere Kammer«), eine von Erasmus Reinhold in Wittenberg 1540 zur Beobachtung einer Sonnenfinsternis erfundene optische Vorrichtung, besteht aus einem dunkeln Raum, in den die von den äußern Gegenständen ausgehenden Lichtstrahlen durch eine einzige sehr kleine Öffnung gelangen, von der sie divergierend auf einer gegenüberstehenden Fläche sich ausbreiten und ein matt erleuchtetes, umgekehrtes Bild des äußern Gegenstandes in natürlichen Farben erzeugen. Das Bild erscheint um so schärfer, aber auch um so lichtschwächer, je kleiner die Öffnung ist. Größere Schärfe und Helligkeit erzielt man bei Anwendung einer Sammellinse, die nach Porta (1558) in die erweiterte Öffnung eingesetzt wird. Auch hier erhält man ein verkehrtes Bild, wenn man nicht hinter die Linse ein großes rechtwinkelig geschliffenes Glasprisma setzt.

Camera obscura.
Camera obscura.

Hooke konstruierte 1679 eine transportable C. zum Nachzeichnen der optischen Bilder. Sie besteht aus einem dunkeln Kasten (s. Abbildung), in dessen Vorderwand eine in ein Rohr m gefaßte Konvexlinse verschiebbar eingesetzt ist. Von einem äußern entfernten Gegenstande würde die Linse ein umgekehrtes verkleinertes Bild zunächst auf der Hinterwand des Kastens entwerfen. Durch einen unter einem Winkel von 45° zur Achse der Linse geneigten ebenen Spiegel kann man aber die Strahlen entweder nach oben auf eine in die Decke des Kastens eingesetzte matte Glastafel a b, die durch[717] den aufgehobenen Deckel b c vor fremdem Licht geschützt wird (Camera clara), oder nach unten auf ein mit weißem Papier überzogenes Brett lenken, wo nun das Bild in aufrechter Stellung erscheint und bei letzterer Einrichtung mit einem Bleistift nachgezeichnet werden kann. Diese ältern Formen der C. gewähren durch die Bewegtheit ihrer niedlichen Bilder belustigende Unterhaltung und erschienen früher nicht selten auf Jahrmärkten etc. Man kann auch die Strahlen durch ein rechtwinkeliges Prisma, das mit der Linse ein einziges Glasstück bildet, nach unten auf eine weiße Tischplatte lenken, die sich in einer dunkeln Kammer von solcher Größe befindet, daß sich mehrere Beobachter darin aufhalten können. Beim Drehen und Neigen des Prismas erscheinen verschiedene Teile der äußern Landschaft auf dem Tisch. In vervollkommter Form bildet die C. das wichtigste Werkzeug des Photographen, der ihre vergänglichen Bilder dauernd festhält (vgl. Photographie).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 717-718.
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