Chersonēsus

[8] Chersonēsus (Chersonesos, griech., »Halbinsel«), im Altertum besondere Benennung mehrerer Halbinseln. C. Cimbrica, bei den Römern Name der Jütischen Halbinsel, weil dieselbe bis gegen Ende des 2. Jahrh. v. Chr. von den Cimbern bewohnt war. – C. (gewöhnlich mit dem Beinamen Heraclea) heißt auch das Vorgebirge auf der Westseite der jetzigen Krim, nahe bei Sebastopol. Von den bithynischen Herakleoten wurde dort im 5. Jahrh. eine Stadt C. gegründet, die aber um Christi Geburt bereits verfallen war. Eine unweit östlich davon erbaute neue Stadt C. war lange Zeit reich und mächtig; ihr Gebiet war durch eine vom Hafen von Balaklawa nördlich laufende Mauer gegen die Taurier geschützt. Später war sie Grenzstadt des byzantinischen Reiches und öfters Verbannungsort für Vornehme. Im Mittelalter diente sie noch den Genuesen als Handelsplatz, und 1578 standen noch die Mauern und ansehnlichen Türme derselben. Zu Grunde ging sie durch die Zerstörung der Litauer und Russen im 14. Jahrh., und im 15. Jahrh. schleppten die Türken viele Architekturstücke zur Ausschmückung Stambuls weg, später die Russen zum Bau Sebastopols. Vgl. Becker, Die Herakleotische Halbinsel in archäologischer Beziehung (Leipz. 1856). – C. Taurica oder Scythica hieß bei den Alten die jetzige Krim. Sie war durch eine sehr schmale Landenge (von Perekop) mit dem Lande dei nomadischen Skythen verbunden, die auch die nördliche Steppenhälfte der C. innehatten. Die Halbinsel war von den barbarischen Taurern bewohnt, die, vielleicht Reste der vorhistorischen Kimmerier, sich seit der [8] Einwanderung der Skythen auf die südlichsten Berge zogen und als Seeräuber die schiffbrüchigen Ausländer an dem Vorgebirge Parthenium (südlich vom heutigen Sebastopol) ihrer Artemis opferten. Die Küsten waren meist von Griechen besetzt (Herakleia, Theudosia, Pantikapäon). Die Halbinsel war bevölkerter und fleißiger angebaut, als jetzt die Krim ist, und hatte einen großen Getreidereichtum; bedeutend war auch der Ertrag der Salzseen und der Fischerei. – C. Thracica, vorzugsweise Chersones genannt, die langgestreckte, schmale, gegen SW. gerichtete Landzunge zwischen dem Thrakischen Meer und dem Hellespont (jetzt Halbinsel von Gallipoli). Eine lange Mauer, die nördlich von Kardia am Meerbusen Melas begann und an der Propontis bei Paktye endete, schützte seit ca. 550 v. Chr. die Halbinsel von der Landseite vor den Angriffen der Thraker. Städte, die meist von Fischfang und Handel lebten, waren: Kardia, Kalliupolis, Sestos etc. Die Halbinsel war ursprünglich von thrakischen Dolonkern bewohnt, die schon frühzeitig mit griechischen Ansiedlern verschmolzen. Der ältere Miltiades gründete dort Mitte des 6. Jahrh. v. Chr. ein griechisch-thrakisches Fürstentum. In die Gewalt der Perser gekommen, gehörte sie nach deren Verdrängung bald den Athenern, bald den Spartanern, dann den Makedoniern. Nach Besiegung Antiochos' d. Gr. geriet sie unter die Herrschaft der Römer. – C. aurea (»goldene Halbinsel«), die jetzige Halbinsel Malakka in Hinterindien.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1906, S. 8-9.
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