Galvanokaustik

[304] Galvanokaustik, die Anwendung der durch den galvanischen Strom erzeugten Glühhitze zu chirurgischen Zwecken, eine Operationsmethode, die Middeldorpf in Breslau besonders ausgebildet und in die Praxis eingeführt hat. Man benutzt einen dünnen Platindraht, der bei Durchleitung eines kräftigen galvanischen Stromes glühend wird, verbindet mit dem Draht ein breit geschlagenes Stück Platindraht zum Schneiden (Galvanokauter), wickelt zum Brennen den Platindraht um einen kleinen Porzellankegel, so daß dieser glühend heiß wird; am häufigsten aber benutzt man die von V. Bruns angegebene galvanokaustische Schneideschlinge (heiße Schlinge, s. Abbildung), namentlich für Ausrottung von Polypen. Der Platindraht von 1/3-1/2 mm Dicke wird in Form einer Schlinge um die abzutrennende Geschwulst herumgeführt, die Schlinge zusammengezogen und der Strom durchgeleitet, worauf der sofort glühende Draht die Gewebeteile, die er umschließt, durchbrennt; dann wird der kalte Draht enger gezogen, abermals zum Glühen gebracht und so fort, bis die Durchschneidung vollendet ist. Die Blutung ist hierbei gleich Null oder doch sehr gering, was bei Abtragungen von sehr blut- und gefäßreichen Teilen von besonderm Wert ist. Ferner aber ist man vermittelst der galvanokaustischen Schneideschlinge imstande, an sonst sehr schwer zugänglichen Stellen zu operieren. Für die G. eignen sich besonders Operationen im Mund, namentlich an der Zunge, in der Nase und dem Kehlkopfe. Vgl. Middeldorpf, Die G. (Bresl. 1854); Bruns, Die galvanokaustischen Apparate und Instrumente (Tübing. 1878), und die Lehrbücher der Nasenkrankheiten (s. Nase).

In der Technik bezeichnet man mit G. oder galvanischem Gravieren ein Ätzverfahren auf galvanischem Wege, bei dem ganz schwache Ätzflüssigkeit angewendet werden kann und daher ein Unterfressen der Linien der Zeichnung vermieden wird. Eine Metallplatte (Kupfer, Stahl) wird mit Deckgrund überzogen, in den man die Zeichnung radiert; man bringt sie nun in eine Lösung von Kupfervitriol oder in stark verdünnte Schwefelsäure und verbindet sie mit dem positiven Pol einer galvanischen Kette, was zur raschen Auflösung des Metalls an allen nicht bedeckten Stellen der Platte führt.

Galvanokaustische Schneideschlinge. (Nach Bruns.)
Galvanokaustische Schneideschlinge. (Nach Bruns.)

Durch Herausnehmen aus der Flüssigkeit überzeugt man sich von deren Wirkung und überdeckt nach und nach alle Partien, die nicht tiefer geätzt werden sollen, so daß man die Verteilung von Licht und Schatten ganz in seiner Hand hat. Die G. eignet sich namentlich zur Herstellung von Walzen für den Zeugdruck, Tapetendruck etc.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 304.
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