Greifswald

[273] Greifswald, Kreisstadt im preuß. Regbez. Stralsund, am schiffbaren Ryk, der 4 km unterhalb in den Greifswalder Bodden mündet, hat meist breite und gerade Straßen, eine Anzahl interessanter spätgotischer Giebelhäuser (s. Tafel »Wohnhaus I«, Fig. 1) und schöne Promenaden. Unter den gottesdienstlichen Gebäuden (3 evangelische und eine kath. Kirche) sind die frühgotische Marienkirche (Backsteinhallenbau), die gotische Nikolaikirche wegen ihres kühnen Turmes und eines prachtvollen »Lutherfensters«, die Jakobikirche wegen eines sehr alten Taufsteines bemerkenswert.

Wappen von Greifswald.
Wappen von Greifswald.

Von öffentlichen Denkmälern besitzt die Stadt Denkmäler Kaiser Friedrichs III., Rubenows, des Begründers der Universität, und des Bürgermeisters Päpke sowie ein Kriegerdenkmal. Die Zahl der Einwohner beläuft sich (1900) mit der Garnison (1 Bataillon Infanterie Nr. 42) auf 22,950 Seelen, davon 884 Katholiken und 100 Juden. Die Industrie beschäftigt sich mit Schiffbau, Eisengießerei und Maschinenfabrikation, Fabrikation von landwirtschaftlichen Maschinen, Ketten, Grabdenkmälern. Außerdem hat G. eine Eisenbahnwerkstätte, Steinschleiferei, ein Elektrizitätswerk, Fischerei, Fischräucherei, Heringssalzerei, Bergungsdampfschiffe mit Taucherapparat und ein Sol- und Moorbad. Der Handel, besonders lebhaft in Getreide, Holz und Fischen, wird unterstützt durch die Kaufmannskompanie, eine Reichsbanknebenstelle sowie ein portugiesisches und ein schwedisch-norwegisches Konsulat. Die dortige Reederei zählte 1902: 10 Seeschiffe mit 1300 Registertonnen Raumgehalt. In den Hafen von G. (beim Dorfe Wyk an der Mündung der Ryk) liefen 1902 ein: 666 Seeschiffe zu 50,110 Registertonnen Raumgehalt; es liefen aus: 667 Schiffe zu 49,900 Registertonnen Raumgehalt. G. ist Knotenpunkt der Staatsbahnlinie Angermünde-Stralsund der Eisenbahn G.-Tribsees und der Kleinbahnlinien G.-Wolgast und G.-Jarmen und hat Dampfschiffsverbindung mit Eldena und der Insel Rügen. Die dortige Universität wurde 1456 unter dem Herzog Wratislaw IX. von dem Bürgermeister Heinrich Rubenow gegründet. Mit ihr verbunden sind eine Bibliothek (s. Tafel »Bibliotheksgebäude I«, Fig. 2) mit 150,000 Bänden und ca. 800 Handschriften, eine Kunstsammlung und eine Sammlung vorchristlicher Altertümer, eine Anatomie sowie ein großes Krankenhaus, ein chemisches Laboratorium, ein botanischer Garten, ein zoologisches Museum, zahlreiche medizinische Institute und in dem nahen Eldena (s. d.) eine Landwirtschaftsschule. Die Zahl der Studierenden betrug im Sommersemester 1904: 775, die Zahl der Hörer 42, die der Dozenten ca. 100. An sonstigen Unterrichtsanstalten hat die Stadt ein Gymnasium, eine Realschule und ein milchwirtschaftliches Institut; außerdem sind in G. eine Irrenanstalt, ein Theater, ein Waisenhaus etc. Die Stadt ist Sitz eines Landgerichts[273] und einer Spezialkommission. Zum Landgerichtsbezirk G. gehören die elf Amtsgerichte zu: Anklam, Barth, Bergen auf Rügen, Demmin, Franzburg, Greifswald, Grimmen, Loitz, Stralsund, Treptow a. T. und Wolgast. – G. (ursprünglich Grippeswalde) wurde 1241 neben dem 1199 gestifteten Zisterzienserkloster Eldena angelegt, kam 1249 an Pommern-Demmin (später-Wolgast) und wurde 1250 zur Stadt erhoben. Bald darauf trat es der Hansa bei. Es erhielt 1451 durch den Bürgermeister Rubenow seine bis in die neueste Zeit geltende Verfassung und 1456 auf desselben Betreiben eine Universität. Im Dreißigjährigen Kriege wurde G. von den Kaiserlichen befestigt, kam aber 1631 in den Besitz der Schweden, denen es auch beim Westfälischen Frieden verblieb. Am 16. Nov. 1678 ward G. von dem Kurfürsten von Brandenburg erobert, 1679 aber zurückgegeben. Die Russen verwüsteten 1713 die Stadt; 1715 kam sie an Dänemark, 1721 wieder an Schweden, 1815 aber an Preußen. Vgl. Gesterding, Beitrag zur Geschichte der Stadt G. (Greifsw. 1827–1829, 3 Bde.); Pyl, Geschichte der Stadt G. (das. 1879) und Geschichte der Greifswalder Kirchen und Klöster (das. 1887, 3 Tle., mit drei Nachträgen); Ziegler, Geschichte der Stadt G. (das. 1897).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 8. Leipzig 1907, S. 273-274.
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