Hirsau

[363] Hirsau, Dorf im württemberg. Schwarzwaldkreis, Oberamt Kalw, an der Nagold und der Staatsbahnlinie Pforzheim-Nagold, hat eine evang. Kirche, Forstamt, Nervenheilanstalt, Fabrikation von Papier, Band, Preßspänen, Kunstwolle, Löffeln und künstlichen Steinen und Erden, Wollspinnerei, Schleiferei, Sägewerke und (1900) 807 Einw. – H. war ehemals berühmt durch sein Benediktinerkloster, das vom Grafen Erlafried von Kalw um 838 gegründet wurde. Einen großen Aufschwung nahm H., als Abt Wilhelm (s. Wilhelm von Hirsau) 1077 die Cluniacenser Regel einführte und diese, nun Hirsauer Regel genannt, sich nach allen Seiten hin verbreitete. Infolge der Reformation wurde H. 1558 säkularisiert und 1560 in eine Klosterschule verwandelt, aber 1692 von den Franzosen eingeäschert. Die malerischen Ruinen, darunter die sogen. Prälatur, zeugen noch von der Größe und Pracht der Klostergebäude, von denen nur die 1509[363] im germanischen Stil erbaute Kapelle (jetzt Pfarrkirche) mit dem interessanten Klosterbibliotheksaal noch gut erhalten ist. Das von dem Abt Trithemius verfaßte Geschichtswerk über H. (»Chronicon insigne Mon. Hirsaugiensis«, Basel 1559; vollständig herausgegeben als »Annales Hirsaugienses«, St. Gallen 1690) ist größtenteils legendenartige Erfindung; zuverlässig ist der »Codex Hirsaugiensis« (hrsg. von Gfrörer, Stuttg. 1844, Literarischer Verein), mehr Urkunden als Geschichtswerk. Vgl. Steck, Das Kloster H., historisch-topographisch beschrieben (Kalw 1844); Giseke, Die Hirschauer während des Investiturstreits (Gotha 1883); Klaiber, Das Kloster H. (Tübing. 1886); Baer, Die Hirsauer Bauschule (Freiburg 1897); Weizsäcker, Führer durch die Geschichte und die Ruinen des Klosters H. (Stuttg. 1898); Süßmann, Forschungen zur Geschichte des Klosters Hirschau 1065–1105 (Halle 1903).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 363-364.
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