Hoden

[408] Hoden (Hode, Testikel, Testis, Orchis, Testiculus), die männliche Keimdrüse, das Samen bereitende Organ, in der einfachsten Form ein Schlauch, von dessen Wandungen sich Zellen loslösen und entweder direkt oder nach Umformungen zu Samenzellen werden. Anzahl, Gestalt, Lage etc. des Hodens bei den Tieren sind sehr verschieden (Näheres s. bei den einzelnen Tierklassen). – Bei den Wirbeltieren liegt der H. in der Bauchhöhle, aus der er aber in einen äußern Anhang wandern kann, so bei den Säugetieren, bei deren Embryonen die H. erst am innern Rande der Urniere liegen, jedoch während der Entwickelung weiter nach abwärts rücken bis in die Leistengegend oder sogar, indem sie Teile der Bauchwand vor sich her drängen, durch den Leistenkanal hindurch in die (Hodensack) Aussackung der äußern Haut. Dabei kann die Verbindung mit der Bauchhöhle offen bleiben, so daß der H., wie es bei vielen Säugetieren zur Brunstzeit die Regel ist, in sie zurücktreten kann. Beim Menschen erfolgt die Wanderung des Hodens in den Sack im achten Monat der Schwangerschaft, selten erst in der Pubertätszeit oder nur unvollkommen, bezw. auch gar nicht, so daß die H., bezw. einer, zu fehlen scheinen (sogen. Kryptorchismus); gewöhnlich verwächst die Öffnung und macht den Rücktritt unmöglich. Der Nebenhoden (s. unten) ist ein umgewandelter Teil der Urniere. – Beim Menschen (s. Tafel »Eingeweide II«, Fig. 4, und IV, Fig. 3) ist der Hodensack (scrotum) eine zweiteilige Hauttasche mit einer Wandung aus glatten Muskelfasern (tunica dartos), deren Zusammenziehung den Sack in Runzeln legt. In ihm liegen die beiden H., Nebenhoden und Samenstränge (s. Samenleiter). Jeder H., von Pflaumengröße und 15–25 g Gewicht, wird von einer glatten Faserhaut umschlossen und[408] besteht zu etwa drei Viertel aus Samenkanälchen, der Rest aus Blut- und Lymphgefäßen sowie aus Nerven und Bindegewebe. Letzteres strahlt von einem dicken Wulste der Faserhaut, dem sogen. corpus Highmori, fächerartig aus und teilt so den Inhalt des Hodens in 100–200 pyramidenförmige Läppchen, die aus 2–6 Samenröhrchen oder -Kanälchen bestehen, aus deren Wandzellen der Same hervorgeht. Ihre Gesamtlänge beträgt 270–340 m; sie vereinigen sich aber zu 9–17 weitern Kanälen, die erst unter sich ein Netzwerk (rete Halleri) bilden, dann nach Durchbohrung der Faserhaut den H. verlassen und in den Nebenhoden (epididymis) eintreten. Dieser bildet ein gekräuseltes, 61/2-10 m langes Rohr, das sämtliche Hodenkanäle aufnimmt und in den Samenleiter (s. d.) übergeht. Jeder H. ist mit einem Teil des Nebenhodens von der doppelten Hülle des aus der Bauchhöhle in den Hodensack mit einbezogenen Bauchfelles umgeben. Dazwischen auftretende Wasseransammlungen werden als Wasserbruch (Hydrocele) bezeichnet. Tafel »Eingeweide IV«, Fig. 3, zeigt den H. H samt dem Nebenhoden N in einer Höhle eingeschlossen, deren Wand sich als derbe, weiße Haut auf beide selbst fortsetzt. Durch Präparation ist der wegen seiner Härte auch am Lebenden leicht durchzufühlende Samenleiter d mit einer Begleitvene v freigelegt, ferner sind die Venen v, die mit mächtigem Geflecht die lange Arterie a begleiten, bis zum Körper und Schwanz des Nebenhodens d, und die Arterie a ist bis in den H. verfolgt. Dessen derbe Hülle ist bis auf einen kleinen Rest unten h weggenommen, so daß man die durch bindegewebige Scheidewände s getrennten keilförmigen Fächer erkennen kann. Bei k sind zwei samenbereitende Kanälchen herausgezogen, deren Gesamtheit vielfach zusammenhängend schließlich mittels je eines Kanals in das corpus Highmori c eintritt. Nun leiten 10–12 Kanäle mit korkzieherartigen Windungen den fertigen Samen im Nebenhoden zum Samenleiter. Absteigend nimmt dieser sämtliche Kanäle auf, bei e noch einen abirrenden Kanal, und steigt nach zahllosen Windungen als glatter, dickwandiger Strang empor. – Neben dem H. befinden sich noch einige Gebilde ohne erkennbare Funktion, die wohl als rudimentäre Organe anzusehen sind: ein 5–7 mm großer, kolbiger oder warziger Körper (als ovarium masculinum oder männlicher Eierstock angesprochen), ferner häufig in seiner Nähe ein gestieltes Bläschen voll Flüssigkeit, die sogen. Morgagnische Hydatide, endlich das im Samenstrang liegende Giraldèssche Organ (paradidymis), Rudimente der Eileiterenden des Weibes und Reste der Urniere.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 408-409.
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