Ilische Tafel

[754] Ilische Tafel (Tabula iliaca), eine kleine antike Reliefplatte aus weißlichem, Palombino genanntem Marmor, kurz vor 1683 in den Ruinen des alten Bovillä, wo Tiberius der gens Julia ein Heiligtum gestiftet hatte, gefunden, jetzt im Kapitolinischen Museum zu Rom. Sie führt ihren Namen von der darauf in kleinsten griechischen Buchstaben eingeritzten Inhaltsübersicht der Homerischen Epen, welche die Ereignisse des Kampfes um Troja (Ilion) darstellen. Das Relieffeld zeigt inmitten einen aufrecht stehenden, eng beschriebenen Pfeiler, links davon in symmetrischer Komposition eine Darstellung der Zerstörung Trojas und vor den Stadttoren das Grab Hektors, das Schiffslager und den Auszug des Äneas; darüber und darunter, ebenso auf der rechten Seite des Pfeilers sind in schmalen Streifen durch kleine Reliefbilder die einzelnen Szenen des Trojanischen Krieges, als Illustration zu den beigeschriebenen Inhaltsüberschriften der Gesänge, angedeutet. Das linke Drittel der Platte mit Pfeiler und Nebenseite ist nicht erhalten. Eine Inschrift nennt einen gewissen Theodoros als Verfertiger der für Unterrichtszwecke erfolgten Zusammenstellung. Derselbe Name findet sich auch auf der Rückseite eines ähnlichen in oder bei Rom entdeckten, jetzt im Pariser Münzkabinett verwahrten Reliefs. Der hohe Wert der Ilischen Tafel beruht darin, daß sie der Literaturgeschichte einen sichern Anhalt gibt für Untersuchungen über die meist völlig verlornen pseudohomerischen Gedichte, die »Ilias« und »Odyssee« fortzusetzen bestimmt waren. Wir kennen jetzt solcher Täfelchen eine ganze Reihe, darunter noch ein Fragment aus der Sammlung Borgia in Neapel, eins in Berlin, eins in Taranto (von C. Robert in den »Annali dell' Instituto«, Rom 1875, veröffentlicht) und das sogen. Farnesische Heraklesrelief in Villa Albani zu Rom. Man nimmt jetzt an, daß sie alle die gleiche Schulbestimmung hatten und in Augusteischer Zeit, aber unter Benutzung alexandrinischen Wissens entstanden sind. Eine Erklärung nebst Publikation aller Exemplare hat O. Jahn in den »Griechischen Bilderchroniken« (Bonn 1873) gegeben.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 754.
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