Infarkt

[819] Infarkt (lat. Infarctus, griech. Emphraxis, »Anschoppung, Verstopfung«), in der alten Medizin ursprünglich von der Verstopfung der Därme durch harte Massen gebraucht, namentlich durch verhärtete Kotballen oder durch ungekaute und unverdaute Speisen. Gegenwärtig versteht man unter I. nur den hämorrhagischen I., d. h. die Infiltration der Gewebe durch erg offenes Blut. Der hämorrhagische I. kommt vorzugsweise in den Lungen, der Milz und den Nieren vor. Er tritt hier in Gestalt größerer oder kleinerer (in der Lunge bis faustgroßer, in den Nieren meist nur bohnengroßer) Knoten von keilförmiger Gestalt auf, die sich durch ihre Härte von der weichen Umgebung leicht abgrenzen lassen. Die Grundfläche des Keiles entspricht der Oberfläche, seine Spitze dem Innern des betreffenden Organs. Die hämorrhagischen Infarkte entstehen durch allmähliches Aussickern des Blutes aus den feinsten Gefäßen, wobei die Blutkörperchen sich zwischen die Gewebselemente und in die von diesen gebildeten Hohlräume (z. B. Lungenbläschen, Harnkanälchen etc.) einlagern und das Parenchym der Organe zwischen sich zusammendrücken. Anfänglich ist der hämorrhagische I. auf der Schnittfläche dunkel blutrot und feucht; später, wenn das Blut geronnen ist, wird er trockner und fester, bleibt aber noch düster braunrot. Allmählich jedoch erblaßt der I., wird hellgelb, sehr trocken und fest; dabei verkleinert er sich, und schließlich verschwindet er gänzlich unter Hinterlassung einer tiefeingezogenen Narbe. Die Ursache der Infarktbildung liegt in einer plötzlich auftretenden [819] Verstopfung der blutzuführenden Arterie des betroffenen Gebiets, und diese Verstopfung erfolgt durch Blutgerinnsel auf dem Wege der Embolie (s. d.). Vgl. Endarterie. – Beim hämorrhagischen I. der Lungen, der bei gewissen Herzkrankheiten häufig vorkommt, gelangt ein Teil des ergossenen Blutes in die Luftröhrenäste und wird ausgehustet (Bluthusten, hämoptoischer I.). Die meist kleinen Infarkte der Nieren bedingen vorübergehendes Blutharnen. Milz- und Niereninfarkte werden vorzugsweise bei Entzündung der Klappen in der linken Herzhälfte beobachtet, Lungeninfarkte dagegen schließen sich an die Erweiterung des rechten Vorhofs und der rechten Herzkammer an. An den ursprünglich erkrankten Stellen des Herzens bilden sich in der Regel die Gerinnsel, die mit dem Blutstrom verschleppt und die unmittelbare Ursache der Infarkte werden. Es kann aber auch von andern Stellen her, z. B. von einem Jaucheherd aus, Material zur Bildung metastatischer Infarkte in die Blutbahn gelangen. Für den Ausgang der Infarkte ist die Beschaffenheit des verschleppten Blutgerinnsels entscheidend; ist dies unschädlicher Natur (nicht bakterienhaltig), so erfolgt die geschilderte Narbenbildung; enthält es Bakterien oder Eiter, so vereitert der I. und kann um sich greifen. Zahlreiche Infarkte letzterer Art treten beim Eiterfieber auf. Von ärztlicher Behandlung der hämorrhagischen Infarkte kann kaum gesprochen werden. Nur beim I. der Lungen, der mit Lungenblutung einhergeht, wird sie rein symptomatisch, ähnlich wie bei andern Lungenblutungen, stattfinden können. Vgl. Bluthusten; ferner die Artikel Harnsäureinfarkt und Kalkinfarkt.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 9. Leipzig 1907, S. 819-820.
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