Karnĕval

[664] Karnĕval (ital. carnevale; Fasching, s. d.), die Gesamtheit der den Fasten vorausgehenden Lustbarkeiten. Der Name stammt nach der gewöhnlichen Annahme vom italienischen carnevale! lebe wohl, Fleischgenuß! wahrscheinlicher vom alten, weitverbreiteten Schiffsumzug, dem zur Feier der wiedereröffneten Schiffahrt durch Rheinland, Belgien und Holland auf Rädern geführten Schiffswagen (carrus navalis), an den ja auch Brants Narrenschiff anknüpfte. Der K. ist je nach Ländern und Städten von kürzerer oder längerer Dauer. Gewöhnlich wird er vom Fest Epiphania (6. Jan.) bis zum Aschermittwoch gerechnet; in Venedig fängt er jedoch bereits am St. Stephanstag (26. Dez.) an, in Spanien meist am St. Sebastianstag (20. Jan.), und in Rom feiert man hauptsächlich die letzten elf Tage vor Aschermittwoch, während der K. in Mailand sich bis zum Sonntag Invocavit (s. d.) fortsetzt und der rheinische sich vorzugsweise auf die Woche vor Aschermittwoch beschränkt. Auch in Belgien, Frankreich, Österreich und Süddeutschland sind die letzten drei Tage vor Aschermittwoch die Haupttage. Der K. hat sich aus den im Volke festgewurzelten heidnischen Umzügen mit Verkleidungen und Lustbarkeiten entwickelt, welche die Kirche, nach langem vergeblichen Predigen dagegen, bestehen lassen mußte. Am berühmtesten ist der große K. von Venedig mit seiner Maskenfreiheit, seinen Tierhetzen, Herkulespielen und Feuerwerken geworden, dem bis 1796 während der Himmelfahrtsmesse (s. Himmelfahrtsfest) stets ein kleinerer folgte. Neben ihm kam der oft, am anmutigsten von Goethe (im 2. Teil der »Italienischen Reise«), geschilderte K. in Rom mit seinem Pferderennen (s. Korso), Aufzügen, Werfen mit Blumen und Gipskügelchen (confetti) und Lichterkampf, wegen der vielen sich daran beteiligenden Künstler und Fremden am meisten zur Bedeutung. In Paris bildet der Umzug des Bœuf gras (Faschingsochs), eines fetten Ochsen mit vergoldeten Hörnern und bunten Bändern, den Mittelpunkt der Feier. In Spanien zeichnen sich besonders Madrid, Sevilla und Cadiz durch lustiges Maskentreiben aus. In Deutschland fand der K. im Anschluß an das Schiffsfest besonders im Süden und am Rhein lebhafte Pflege. Haupttage des Mummenschanz bildeten der Hirsmontag mit seinem als Hirsch verkleideten Sprecher und Fastnachtsdienstag, der den Namen Narrenfest oder Narrenkirchweih erhielt. Durch die Reformation und den Dreißigjährigen Krieg fast völlig unterdrückt, kam er seit Anfang des 19. Jahrh. bei uns wieder in Aufnahme; besonders in den rheinischen Städten bilden sich eigne Karnevalsgesellschaften, die sich früh im Jahre versammeln, um einen Großen und Kleinen Rat, einen Festordner und ein närrisches Oberhaupt (Prinz Karneval) zu wählen, Festprogramme zu entwerfen und auszuführen, und der K. in Köln, dessen 50jährige Jubelfeier nach seiner Erneuerung (denn überhaupt läßt er sich in Köln viel weiter rückwärts verfolgen, da schon 1432, später oft wiederholte Verbote erfolgten) man 1873 beging, erlangte in Deutschland fast ebensolche Berühmtheit wie vormals der von Venedig und Rom. Sehr glänzend ist auch der K. in Aachen, Trier, Mainz und Düsseldorf, und seit 1868 haben selbst protestantische Städte, wie Leipzig, Hamburg, Berlin u. a., allerdings mit nicht besonderm Erfolge, versucht, den K. mit seiner Maskenfreiheit wieder als allgemeines Volksfest mit öffentlichen Aufzügen etc. einzuführen. Die Fastnachtsgebräuche einiger Zünfte, wie der Schäfflertanz in München, der Böttchertanz in Frankfurt a. M. und der Metzgersprung in München, haben sich mutmaßlich als Überbleibsel der heidnischen Umzüge und Frühlingstänze bis zum heutigen Tag erhalten. Vgl. J. P. Schmidt, Geschichtsmäßige Untersuchung der Fastelabendsgebräuche in Deutschland (2. Aufl., Rostock 1752); Fahne, Der K. (Köln 1853); v. Reinsberg-Düringsfeld, Das festliche Jahr (Leipz. 1863). S. auch Ottobraten.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 664.
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