Kreuzschnabel

[655] Kreuzschnabel (Loxia L.), Gattung der Sperlingsvögel aus der Familie der Finken (Fringillidae) und der Unterfamilie der Gimpel (Pyrrhulinae), kräftig gebaute, großköpfige Vögel mit sehr starkem, dickem, seitlich zusammengedrücktem, an den Schneiden eingebuchtetem Schnabel, dessen oberer Kiefer in eine lange Spitze ausgezogen und sanft hakenförmig abwärts gebogen, während der stärkere untere nach oben gekrümmt und mit jenem bald auf der rechten, bald auf der linken Seite gekreuzt ist. Die Flügel sind ziemlich lang, schmal und spitzig; der Schwanz ist kurz, ausgerandet; die Füße sind kurz und kräftig, die Zehen lang, mit starken Nägeln versehen. Die Vögel leben als Jahresvögel in Nadelwaldungen, mehr im Norden als im Süden, erscheinen plötzlich, verweilen längere oder kürzere Zeit und verschwinden dann ebenso plötzlich wieder, um sich viele Jahre lang nicht sehen zu lassen. Die verschiedenen Arten sind einander sehr ähnlich und variieren sehr stark: die alten Männchen sind zinnober- oder karminrot, die jüngern rotgelb bis grüngelb, die Weibchen gelblich- oder graugrün; bei allen sind die Schwung- und Schwanzfedern grauschwarz. Sie sind munter und gewandt, fliegen leicht und schnell, klettern geschickt in den Baumkronen mit Hilfe des Schnabels wie die Papageien und kommen nur im Notfall auf den Boden herab. Der Kiefernkreuzschnabel (Tannen-, Kiefernpapagei, Loxia curvirostra pityopsittacus Bechst., s. Tafel »Stubenvögel I«, Fig. 12) ist 20 cm lang, 30 cm breit und namentlich durch seinen dicken, hohen, im Halbkreis gekrümmten Papageienschnabel, bei dem die Spitze des Unterkiefers weit über den Rücken des Oberkiefers emporragt, von dem kleinern Fichtenkreuzschnabel (Kreuzvogel, Christvogel, Krinitz, L. curvirostra L.) mit viel schwächerm und verhältnismäßig längerm Schnabel unterschieden. Ersterer ist selten im östlichen Deutschland, scheint dem Westen als Brutvogel zu fehlen, ist auch in Österreich selten, dagegen häufig in Skandinavien, Finnland und dem nördlichen Rußland. Der Fichtenkreuzschnabel bewohnt die Fichtenwälder der deutschen Gebirge, selten das Tiefland und ist über ganz Europa und das nördliche und mittlere Asien bis Japan verbreitet. Beide Arten treten besonders in guten Samenjahren häufig auf, erscheinen aber immer unregelmäßig. Sie sind ungemein gesellig, singen angenehm, nähren sich hauptsächlich von Nadelholzsamen, den sie mit ihrem starken Schnabel leicht gewinnen, fressen in der Not aber auch Ahorn-, Hainbuchen-, Hanf-, Distelsamen etc., nebenbei Insekten. Sie nisten zu allen Jahreszeiten, meist im Dezember und Januar, und legen 3–4 kleine, grau- oder bläulichweiße, rot oder braun gezeichnete Eier in ein auf Bäumen sorgfältig gebautes Nest. Man hält die Kreuzschnäbel des angenehmen Gesanges halber gern im Zimmer; sie werden rückhaltlos zahm, verlieren aber das schöne Rot vollständig. Haben sie sich ausschließlich von Nadelholzsamen genährt, so widersteht das Fleisch nach dem Tode der Fäulnis und trocknet ein. Dem im Zimmer gehaltenen K. schreibt das Volk die Fähigkeit zu, allerlei Krankheiten der Menschen anzuziehen (daher Gichtvogel), und man findet ihn zum Teil aus diesem Grunde sehr häufig in den Hütten der Gebirgsbewohner. Vgl. Kadich, Der Fichtenkreuzschnabel (Wien 1892); Anzinger, Unsre Kreuzschnäbel im Freien und in der Gefangenschaft (Ilmenau 1895).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 655.
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