Kunstphotographie

[818] Kunstphotographie. Seit der Aufnahme des 1855 von Poitevin entdeckten, aber wieder in Vergessenheit geratenen Gummidruckes (s. d.) um die Mitte der 1890er Jahre hat sich der Amateurphotographie eine Bewegung bemächtigt, die allmählich im Gegensatz zu dieser und zur Berufsphotographie die Ausbildung der Photographie zu einem Zweige des künstlerischen Schaffens, zur K., herbeigeführt hat. Der Gummidruck gestattet dem Photographen, »dem Bilde die Kraft der Erscheinung zu geben, die dem Künstler vorschwebt, was durch wiederholtes Auftragen der Farben und Drucken erreicht wird. Er erlaubt ferner, während der Herstellung des Bildes in die Entwickelung einzugreifen, sie aufzuhalten oder zu beschleunigen. Endlich ist es auch im Gummidruck möglich, farbige Drucke herzustellen (F. Matthies-Masuren)«. Bisher sind besonders im Dreifarbendruck ansprechende Ergebnisse erzielt worden. Außer dem Gummidruck bedient sich die K. auch des Kohle- und Platindrucks, die ebenfalls die Hervorbringung künstlerischer Wirkungen gestatten. Abgesehen von der vollkommenen Beherrschung aller technischen Mittel und Kunstgriffe ist die wesentlichste Voraussetzung der K. die persönliche künstlerische Begabung des Ausübenden, der, wenn er zur höchsten künstlerischen Vollendung gelangen will, mit denselben Fähigkeiten ausgestattet sein muß wie ein Maler. Hervorragende Leistungen der K. traten in Deutschland zuerst durch die internationale Ausstellung für Amateurphotographie in Berlin 1896 in die Öffentlichkeit, und seitdem ist sie zum Gegenstand eifriger Pflege durch Vereine, Ausstellungen und Zeitschriften gemacht worden. Die erste Ausstellung von Werken der K. fand 1898 in München im Kunstausstellungsgebäude (Sezession) statt. Die zweite folgte 1899 in Berlin, veranstaltet von den beiden dortigen Vereinen, der Freien photographischen Vereinigung und der Deutschen Gesellschaft von Freunden der Photographie, unter starker Beteiligung ausländischer Amateure. Eine Wanderausstellung von künstlerischen Photographien, die sich auf einige Hauptstädte Österreichs und Deutschlands erstreckte, wurde 1899 von der Redaktion des »Photographischen Zentralblattes«, Zeitschrift für künstlerische und wissenschaftliche Photographie (redigiert von F. Matthies-Masuren und F. Schirmer) veranstaltet. Auf diesen und andern lokalen Ausstellungen und durch besondere Veröffentlichungen haben sich von deutschen und österreichischen Kunstphotographen besonders H. Kühn in Innsbruck, H. Henneberg in Wien, Th. und O. Hofmeister, E. Arning und G. Einbeck in Hamburg, A. Enke in Stuttgart, F. Matthies-Masuren in München und F. Behrens und M. Schmidt in Rogasen durch hervorragende Leistungen ausgezeichnet. Vgl. H. Lichtwark, Die Bedeutung der Amateurphotographie (Halle 1894); Th. Hofmeister, Das Figurenbild in der K. (das. 1898); R. de La Sizeranne, La photographie est-elle une art? (Par. 1899); A. Enke, Lichtbildstudien (2 Sammlungen, Stuttg. 1900 u. 1902); Matthies-Masuren, Die bildmäßige Photographie (Halle 1903) und dessen Jahrbuch: »Die photographische Kunst« (3. Jahrg., das. 1904); Mazel, Künstlerische Gebirgsphotographie (deutsch, Berl. 1903) und die Kataloge der genannten Ausstellungen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 818.
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