Leo [4]

[413] Leo, oströmische Kaiser: 1) L. I., der Große genannt, ein Thraker von Geburt, wurde nach dem Tode des Kaisers Marcianus durch den Einfluß des mächtigen Patricius Aspar, dessen Haushofmeister er gewesen war, 7. Febr. 457 zum oströmischen Kaiser ernannt und vom Patriarchen Anatolios gekrönt. Um das Übergewicht der Barbaren im Heere zu beseitigen, ergänzte er es aus Eingebornen; er suchte auch den fiskalischen Druck zu erleichtern. Er mischte sich in die Verhältnisse des weströmischen Reiches ein, trat zeitweise mit dem dort gebietenden Ricimer in Verbindung und ernannte mit dessen Zustimmung 457 Majorianus und 467 Anthemius zu Kaisern. Von Ricimer zu Hilfe gerufen, führte er auch mit den Wandalen Krieg, schloß aber 471 mit ihnen Frieden. In demselben Jahre ließ L. den ihm verdächtig gewordenen Aspar und dessen Söhne töten. L. starb, nachdem er seinen vierjährigen gleichnamigen Enkel, den Sohn seiner Tochter Ariadne und des Isauriers Zenon, zu seinem Nachfolger ernannt hatte, 3. Febr. 474. Der junge Kaiser, Leo II., geleitet von seiner Mutter und Großmutter, erhob seinen Vater Zenon zum Mitregenten, starb aber schon im November 474, worauf Zenon Alleinherrscher wurde.

2) L. III., fälschlich der Isaurier genannt, aus Germanikeia in Syrien gebürtig, trat in die Leibwache Justinians II., erregte aber bald dessen Eifersucht und ward nach Kolchis geschickt, wo er sich so auszeichnete, daß Anastasios II. ihm den Oberbefehl über das Heer im Osten übertrug. Als die Garde sich gegen den Kaiser empörte und die Krone dem Theodosios aufdrängte, zwang er diesen, der Krone zu entsagen. Selbst zum Kaiser gekrönt (25. März 717), verteidigte er Konstantinopel glücklich gegen die es von der Land- und Seeseite her belagernden Araber und nötigte dieselben nach 13monatiger Belagerung zum Abzug (im August 718). Mit den Bulgaren schloß er zu Anfang seiner Regierung Frieden, den Arabern entriß er in fortgesetzten glücklichen Kämpfen den größten Teil von Kleinasien. Auch im Innern entfaltete er eine eifrige und segensreiche Tätigkeit, reorganisierte das Heer und die Verwaltung, erbitterte aber einen großen Teil der Bevölkerung durch seine kirchlichen Maßregeln. Bestrebt, den zur Abgötterei ausgearteten Bilderdienst zu unterdrücken und zugleich die Macht der Geistlichkeit zu beschränken, verbot er 726 die Bilderverehrung in den Kirchen und befahl 730 die Vernichtung aller Bilder, wodurch er die Opposition sowohl eines Teiles der Geistlichkeit und des Volkes als auch des Papstes Gregor II. hervorrief und so den Bilderstreit erregte, der das oströmische Reich fast ein Jahrhundert lang erschüttert hat (s. Bilderdienst). Nachdem L. 740 nochmals die Araber in einer großen Schlacht besiegt hatte, starb er bald darauf (18. Juni 741) und hatte seinen Sohn Konstantin V. Kopronymos zum Nachfolger.

3) L. IV., der Chasar, Enkel des vorigen und Sohn einer chasarischen Prinzessin, folgte seinem Vater Konstantin V. 775 auf dem Thron, erhob 776 seinen fünfjährigen Sohn Konstantin zum Mitkaiser und unterdrückte einen Aufstand seiner damit unzufriedenen Stiefbrüder. Anfänglich suchte er den Frieden in der Kirche herzustellen und duldete den Bilderdienst, später aber schritt er strenger gegen denselben ein. Als er 780 starb, ernannte er seine Gemahlin, die Athenerin Irene, zur Regentin des Reiches für den zehnjährigen Konstantin VI.

4) L. V., der Armenier, war kaiserlicher Feldherr, als er 813 an Stelle des schwachen Michael Rhangabe zum Kaiser ausgerufen wurde; er herrschte gerecht und streng, besiegte 814 die Bulgaren, die Konstantinopel selbst bedrohten, und schloß mit ihnen Frieden. Er erneuerte das Bilderverbot, entsetzte den Patriarchen Nikephoros und verfolgte die Bilderverehrer. Er wurde 25. Dez. 820 von Michael dem Stammler ermordet.

5) L. VI., der Weise (Philosophos), Sohn Basileios' I., des Mazedoniers, und Zögling des gelehrten Photios, folgte seinem Vater 886. Er trieb mit Eifer gelehrte Studien, vernachlässigte aber die Regierung, die er unwürdigen Günstlingen überließ. Auch nach außen hin war seine Regierung unglücklich, die Araber plünderten auf kühnen Seezügen die griechischen Küsten und eroberten 904 Thessalonika; auch der erneuerte Krieg gegen die Bulgaren wurde unglücklich geführt. 907 erschienen die Russen unter Oleg vor Konstantinopel, und L. schloß mit ihnen einen Frieden, in dem er ihnen wichtige Handelsvorteile zugestand. Gleich zu Anfang seiner Regierung entsetzte er den Patriarchen Photios, später entzündete er durch seine vierte Vermählung mit Zoe, die ihm seinen einzigen Sohn, Konstantin, gebar, in der griechischen Kirche den Streit über die Tetragamie, den erst Romanos I. beendigte. Er vollendete das byzantinische Gesetzbuch, die Basiliken (s. d.), erließ »Novellae constitutiones« (Basel 1575) und verfaßte eine Taktik (hrsg. von Meursius, Leid. 1612). Er starb 911. Sein Nachfolger war sein Sohn Konstantin VII. Porphyrogennetos.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 12. Leipzig 1908, S. 413.
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