Maerlant

[51] Maerlant (spr. mār-), Jacob van, der bedeutendste niederländ. Dichter des 13. Jahrh., geb. um 1235 in Bruxambacht (Westflandern), gest. in Damme zvischen 1291 und 1300, war anfangs Küster in Maerlant (jetzt ein Teil von Brielle auf der Insel Oostvoorne); später (vermutlich von 1266 an) wohnte er in Damme bei Brügge, wo er nach der Tradition das Amt eines Stadtschreibers bekleidete. Seine Jugendwerke sind Ritterromane, aus dem Lateinischen und Französischen übersetzt: »Alexanders geesten«, zwischen 1257 und 1260 übersetzt aus dem Lateinischen des Gauthier de Chastillon (hrsg. von Snellaert, Gent 1860–62, und J. Franck, Groning. 1882); die »Historie van den Grale« und »Merlijns Boeck«, um 1261 übersetzt aus dem Französischen des Robert de Borron (hrsg. von J. van Vloten, Leiden 1880 bis 1882); »Roman van Torec«, nach einem verloren gegangenen französischen Original, nur in einer Überarbeitung erhalten (hrsg. von J. te Winkel, Leiden 1875); die »Historie van Troyen«, um 1264 nach dem Französischen des Bénoît de Sainte-More (hrsg. von N. de Pauw und E. Gaillard, Gent 1889–1891). Diese zum Teil sehr umfangreichen Gedichte gehören zwar dem Stoff nach noch ganz zu dem Kreis der ritterlichen Epik, stehen aber schon unter dem Einfluß einer historischen Kritik, und das lehrhafte Element wiegt in ihnen vor. Später empfahl M. nur historisch glaubhafte biblische, geistliche oder weltliche Erzählungen und rein lehrhafte Darstellungen, von denen er selbst sehr umfängliche Muster aufstellte; er ist in dieser Schaffensperiode mit einem Thomasin von Zirklaere, einem Rutebeuf in Frankreich, einem Todi in Italien in Parallele zu stellen. Zu den Gedichten aus dieser zweiten Periode Maerlants gehören: »Heimelicheit der heimelicheden«, nach den »Secreta secretorum« des Pseudo-Aristoteles (hrsg. von Clarisse, Dordr. 1838, und von Kausler in den »Denkmälern altniederländischer Sprache und Literatur«, Tübing. 1844); »Der naturen bloeme«, eine gereimte Naturgeschichte nach dem lateinischen Werk »De natura rerum« von Thomas de Cantimpré (hrsg. von Bormans, Gent 1857, und von Verwijs, Groning. 1878); der »Rijmbijbel«, eine Bearbeitung der »Historia scolastica« von Petrus Trecensis, auch Comestor genannt (um 1150), mit der 1271 vollendeten Fortsetzung: »Die Wrake van Jherusalem«, nach Flavius Josephus (hrsg. von David, Brüssel 1858 bis 1869); »St. Franciscus Leven«, nach dem Lateinischen des Bonaventura (hrsg. von Tideman, Leiden 1848), und das umfangreichste seiner Werke: »Spiegel historiael«, 1283 begonnen, eine gereimte Übersetzung des »Speculum historiale« von Vincentius von Beauvais, von der M. aber nur ein wenig mehr als die Hälfte verfaßte. Philipp Utenbrocke hat diese Arbeit fortgesetzt, Lodewijk van Velthem aber hat sie 1316 vollendet und erweitert. Der von M. bearbeitete Teil ist herausgegeben von de Vries und Verwijs (Leid. 1857–63), die zweite, von Utenbroeke übersetzte Partie von denselben und Ferd. v. Hellwald (das. 1879). Die letzte, von Velthem übersetzte Partie ist nur unvollständig überliefert, seine Erweiterung gab schon Le Long (Amsterd. 1727) heraus. Außerdem schrieb M. noch verschiedene strophische Gedichte (hrsg. von Verwijs, Groning. 1880; neue Ausg. von Franck und Verdam, das. 1898), die als das weitaus poetischste und kunstreichste Erzeugnis der mittelniederländischen Dichtung bezeichnet werden dürfen. Die wichtigsten dieser strophischen Gedichte sind die drei Zwiegespräche zwischen Jacob (dem Dichter selbst) und Martijn, das am meisten poetische die »Disputacie van onser Vrouwen ende den h. Cruce«, die glutvollsten »Der Kerken clage« und sein Schwanengesang »Van den lande van Oversee«, gedichtet nach dem Verlust von St.-Jean d'Acre 1291. M. hat eine wichtige Dichterschule gestiftet, deren Mitglieder ihn den »Vater aller dietscher dichter« nannten. Vgl. Serrure, I. v. M.en zyne werken (2. Aufl., Gent 1867); J. te Winkel, »Maerlants werken beschouwd als spiegel van de 13. eeuw« (2. Aufl., das. 1892). Eine Auswahl seiner Dichtungen gab Verwey in den »Nederlandsche Dichters«, Bd. 1 (Amsterd. 1894).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 51.
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