Massinger

[413] Massinger (spr. mässindscher), Philip, engl. dramatischer Dichter, einer der bedeutendsten der jüngern Zeitgenossen Shakespeares, geb. 1583 in Salisbury als Sohn eines Hausbeamten beim Grafen Pembroke, gest. im März 1640 zu London, wurde 1602 Student zu St. Alban Hall in Oxford, wo er, wie es scheint, zur römischen Kirche übertrat, und ging ohne Grad 1606 nach London, wo er Dramen schrieb, nach der Sitte der Zeit mit andern Schriftstellern gemeinsam, so mit Dekker sein erstes sicheres Drama: »The virgin martyr« (gedruckt 1622). Es zeigt kraftvolle, gedrungene Sprache; indes ist die Behandlung des Stoffes, die Verherrlichung der siegreichen christlichen Kirche gegenüber der Vielgötterei des Heidentums, oft noch plump und unkünstlerisch. Von den übrigen uns erhaltenen Dramen Massingers, die alle für die Truppe der Königs-Schauspieler, also für die einstigen Kollegen Shakespeares, geschrieben sind, verdienen Hervorhebung: »The great duke of Florence« (1627; deutsch von Prölß im »Altenglischen Theater«, Bd. 2, Leipz. 1881), »The city madam« (1632; deutsch von Graf Baudissin: »Die Bürgersfrau als Dame«, in »Ben Jonson und seine Schule«, Leipz. 1836, 2 Bde.) und »A new way to pay old debts« (1633; deutsch von Gätschenberger, das. 1874; von M. Otto, Berl. 1902). Das erstgenannte Stück kommt unserm modernen Konversationslustspiel auffallend nahe. Das zweite schildert die Sucht des reich gewordenen Bürgers, sich dem Adel gleichzustellen, und zwar mit der Genauigkeit eines holländischen Genregemäldes. Das dritte Lustspiel hat die schnöde, um des Geldes willen auch das eheliche Glück der Tochter opfernde Habsucht zum Gegenstand und hielt sich verdientermaßen länger auf der Bühne als irgend ein andres aus derselben Epoche. Minder bedeutend sind: »The duke of Milan« (1623; deutsch bearbeitet von H. Conrad, Stuttg. 1904), weniger tragisch als grausig und entsetzlich, und »The bondman« (1623), letzteres merkwürdig als einer der frühesten Versuche, die soziale Frage dramatisch zu behandeln. Seine Charaktere sind einseitig und überhitzt, aber mit künstlerischem Ernst gezeichnet, was besonders wohltut, wenn man die Flüchtigkeit und Handwerksmäßigkeit vieler andrer Vertreter des nachshakespearischen Dramas mit ihm vergleicht. Keine der Ausgaben seiner Werke ist vollständig; die besten wurden von Gifford (Lond. 1805, mit Einleitung), Hartley Coleridge (1840) und Cunningham (1867, 3. Aufl. 1872) besorgt. Eine Auswahl gab A. Symons (Bd. 4 u. 5 der »Mermaid Series«, Lond. 1887–89). Vgl. Phelan, Philip M. (in »Anglia«, Bd. 2, Halle 1879) und v. Wurzbach im »Jahrbuch der deutschen Shakespeare-Gesellschaft«, Bd. 35, S. 214 ff. (Berl. 1899).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 413.
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