Baudissin

[456] Baudissin, 1) Wolf Heinrich, Graf von, Schriftsteller, geb. 30. Jan. 1789 in Rantzau, gest. 4. April 1878 in Dresden, trat als Legationssekretär in dänischen Staatsdienst, erhielt 1810–14 Missionen nach Stockholm, Wien und Paris und büßte 1813 für seine deutsche Gesinnung durch halbjährige Hast auf der Festung Friedrichsort. Später machte er Reisen nach Italien, Frankreich und Griechenland und nahm 1827 seinen dauernden Aufenthalt in Dresden, wo er bald in ein inniges Verhältnis zu Tieck trat und an dessen Shakespeare-Übersetzung durch Verdeutschung von 13 Stücken hervorragenden Anteil nahm. Auch übertrug B. die vier von Tieck herausgegebenen vermeintlichen Jugendarbeiten Shakespeares: »Vier historische Schauspiele Shakespeares« (Stuttg. 1836). Ferner veröffentlichte er u. d. T.: »Ben Jonson und seine Schule, mit Anmerkungen und einem historischen Überblick über die Geschichte der englischen Bühne« (Leipz. 1836, 2 Bde.) Übersetzungen älterer englischer Dramen und versuchte sich später auch in der mittelhochdeutschen Literatur, indem er Übertragungen des »Iwein mit dem Löwen« von Hartmann von Aue (Berl. 1845) und des »Wigalois« von Wirnt von Gravenberg (Leipz. 1848) herausgab. Baudissins spätere Tätigkeit als Übersetzer galt der französischen und italienischen Dichtung: »Molières sämtliche Lustspiele« (in reimlosen Jamben, Leipz. 1865–67, 4 Bde.); »Zwei dramatische Dichtungen von Fr. v. Coppée« (das. 1874); »Carmontels und Leclerqs dramatische Sprichwörter« (das. 1875) und »Italienisches Theater«, Dramen von Gozzi und Goldoni (das. 1877).

2) Wolf Wilhelm Friedrich, Graf, prot. Theolog, geb. 26. Sept. 1847 in Sophienhof bei Kiel, habilitierte sich 1874 in Leipzig, folgte 1876 einem Ruf nach Straßburg und wurde 1880 daselbst ordentlicher Professor, 1881 in Marburg, 1900 in Berlin. Er verfaßte unter anderm: »Eulogius und Alvar« (Leipz. 1872); »Studien zur semitischen Religionsgeschichte« (das. 1876–78, 2 Bde.); »Die Geschichte des alttestamentlichen Priestertums« (das. 1889); »Einleitung in die Bücher des Alten Testamentes« (das. 1901).

Verwandt mit den Genannten sind die Romanschriftsteller Ulrich von B., geb. 22. Febr. 1816 in Greifswald, dän. Major a. D., gest. 4. Dez. 1893 in Wiesbaden, und dessen Bruder Adelbert, Graf von B., geb. 25. Jan. 1820, gest. 28. März 1871 in Wiesbaden. Letzterer, früher schleswig-holsteinischer Leutnant, schrieb auch eine »Geschichte des schleswig-holsteinischen Krieges« (Hannov. 1862).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 456.
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