Medusen

[526] Medusen (Schirmquallen, hierzu Tafel »Medusen I u. II«, mit Erklärungsblatt), Abteilung der Cölenteraten (s. d.), Meeresbewohner, die meist an der Oberfläche oft in großen Scharen schwimmen. Ihr Körper ist außerordentlich weich und besteht bei manchen Arten aus so wenig fester Substanz, daß er beim Trocknen einen ganz geringen Rückstand hinterläßt. Sie haben die Gestalt einer Scheibe oder Glocke, von deren Unterfläche wie ein Klöppel in der Mitte ein hohler Stiel mit einer Öffnung am Ende (dem Mund) herabhängt. Der Mund führt in den geräumigen Magen, der sich in Kanäle fortsetzt, in denen die bei der Verdauung gewonnene Nährflüssigkeit zirkuliert. Magen und Kanäle bilden zusammen den Gastrovaskularraum. Durch abwechselnde Zusammenziehung und Ausdehnung der Glocke wird das Wasser ausgestoßen und aufgenommen; der so hervorgebrachte Stoß treibt die Meduse vorwärts. Die Kontraktionen werden durch Muskelfasern auf der Unterseite der Glocke hervorgebracht. Das Nervensystem besteht aus zwei am Rande verlaufenden Ringen oder durch Nerven verbundenen Ganglien. Von diesen Zentralorganen aus werden die am Rande verteilten Tentakeln (Fangfäden; s. Hydromedusen, Textfig. 2) und die Sinneswerkzeuge innerviert. Letztere sind entweder Seh- oder Hörorgane von meist ziemlich einfachem Bau. Die Geschlechtsstoffe werden in besondern Genitaltaschen erzeugt und gelangen entweder direkt nach außen (Hydromedusen) oder aber erst in den Magen (Scyphomedusen) und aus diesem durch den Mund ins Wasser. Gewöhnlich sind die M. getrennten Geschlechts; die Eier bilden sich nur selten im Innern des Muttertieres zu Larven aus.

Man zerlegt die M. in zwei große, scharf getrennte Gruppen: in die Hydroidquallen und die Akalephen. 1) Die Hydroidquallen gehören zu den Hydromedusen (s. d.). Meist sind es kleine M., die sich von den Polypenstöckchen ablösen und dann erst, indem sie noch eine Zeitlang im Meer umherschwimmen, Eier oder Samen entwickeln. Wegen des vom Rand ihrer Glocke nach innen zu gerichteten häutigen Saumes heißen sie saumtragende (kraspedote) M. (Tafel I, Fig. 1 u. 2, Thamnostylus und Zygodactyla). Von den Sinneskörpern sind bei ein und derselben Art fast immer entweder nur Augen oder nur Gehörbläschen vorhanden (Tafel I: Aequorea, Sarsia, Tiara, Fig. 6,8 u. 9; Tafel II, Fig. 2–5: Lizzia, Tima, Carmarina, Olindias). Mitunter pflanzen sich die Kraspedoten auch durch Teilung fort. Bei einer Gruppe, den Trachymedusae, wird kein Polypenstöckchen mehr gebildet; vielmehr entwickelt sich aus dem Ei die Larve und aus dieser gleich die Meduse. 2) Die Scyphomedusen oder Akalephen (Tafel I u. II). Diese entbehren des Randsaumes (sogen. Akraspeden), sind meist von bedeutender Größe und werden darum, wenn man von Quallen (s. d.) redet, vorzugsweise ins Auge gefaßt. Bei ihnen hängen vom Mundstiel in der Regel noch besondere Arme herab (Tafel I, Fig. 5: Dactylometra; Fig. 10: Pelagia), die bei einer Gruppe, den Rhizostomidae, miteinander verschmelzen und nur kleine Öffnungen zwischen sich lassen, so daß die Nahrung nur durch Saugen aufgenommen werden kann. Die Entwickelung geschieht bei einigen Arten ganz direkt, bei den meisten jedoch auf einem Umweg, der an die ehemalige Polypennatur der M. erinnert. Aus dem Ei entsteht nämlich eine Larve, die sich festsetzt und einem kleinen Korallpolypen sehr ähnlich ist, auch gleich diesem Tentakeln erhält. Später kerbt sich die Larve (das sogen. Scyphistoma) der Quere nach mehrere Male ein und wird so einem Tannenzapfen (strobila) ähnlich, noch später sieht sie aus wie eine Reihe auseinander gestellter Teller. Alsdann lösen sich letztere von oben nach unten ab und schwimmen als junge M. (sogen. Ephyrae) fort, die bis zur Erlangung der ausgebildeten Form noch gewisse Veränderungen durchzumachen haben. Im erwachsenen Zustande sind die Akalephen gefräßige Tiere, die trotz ihrer Zartheit mit Fischen und Krebsen, die oft größer sind als sie selbst, fertig werden, sie mit ihren Nesselorganen lähmen und allmählich verdauen. Einige Arten nesseln so stark, daß sie auch dem Menschen gefährlich werden und auf dem nackten Körper starke Anschwellungen hervorrufen. Auch die Fähigkeit, bei Nacht zu leuchten, ist vielfach vorhanden. Fossil sind im Solnhofener Schiefer einige ziemlich deutliche Abdrücke gefunden worden. Man teilt die Akalephen in die Scheibenquallen (Discophora) oder Akraspeden, zu denen Aurelia aurita (Ohrenqualle) der Ostsee, Pelagia (Knollenqualle, Tafel I, Fig. 10) des Mittelmeeres, Cotylorhiza (Tafel II, Fig. 1), Rhizostoma (Wurzelqualle oder Meerlunge, s. Tafel »Aquarium I«, Fig. 11) etc. gehören, ferner in die Peromedusen, in die Beutelquallen oder Kubomedusen (diese haben einen Randsaum; hierher Charybdaea, Tafel I, Fig. 7) und in die Becherquallen (Calycozoa [Lucernaria]) ein; letztere sind dadurch interessant, daß die meisten von ihnen nicht frei umherschwimmen, sondern mit einem Stiel festgewachsen sind.

Vgl. E. Forbes, Monograph of the British nakedeyed Medusae (Lond. 1848); Agassiz »North American Acalephae« (Cambridge 1865); Hertwig, Nervensystem und Sinnesorgane der M. (Leipz. 1878); Haeckels Arbeiten über fossile M. (1865, 1869, 1874); Claus, Studien über Polypen und Quallen der Adria (Wien 1877) und Organisation und Entwickelung der M. (Prag u. Leipz. 1883); Eimer, Die M., physiologisch und morphologisch auf ihr Nervensystem untersucht (Tübing. 1879); Haeckel, Monographie der M. (Jena 1879–81, 2 Tle.); Götte, Entwickelungsgeschichte der Aurelia etc. (Hamb. 1886); Metschnikow, Embryologische Studien an M. (Wien 1886); Brooks, Life-history of the Hydromedusae (Boston 1886); O. Maas, Die kraspedoten M. der Plankton-Expedition (Leipz. 1893), Die M. des Albatroß (Cambridge 1897) und Die M. der Siboga-Expedition (Leiden 1905).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 526.
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