Militärkonventionen

[822] Militärkonventionen, Staatsverträge über militärische Verhältnisse. Dahin gehört z. B. die Militärkonvention zwischen dem Norddeutschen Bund und Württemberg vom 21.–25. Nov. 1870, die dann später in die deutsche Reichsverfassung vom 16. April 1871 mit aufgenommen wurde. Die M. des Deutschen Reiches, bez. des Königreichs Preußen, mit den übrigen Bundesstaaten hinsichtlich des Heerwesens zerfallen in zwei Hauptgruppen: die M. mit den Königreichen und die M. mit den sonstigen Staaten.

A. Die M. mit den Königreichen erweitern die den Landesherren nach der Reichsverfassung zustehenden Militärhoheitsrechte. Für Bayern ist die Heeresverfassung durch Ziffer III, § 5, des Bündnisvertrags vom 23. Nov. 1870 und Ziffer XIV des Schlußprotokolls besonders geregelt; Artikel 58 der Reichsverfassung gilt für Bayern nur mit dem Zusatz, daß Bayern die Kosten und Lasten seines Kriegswesens allein trägt; Artikel 61–68 sind auf Bayern nicht anwendbar. An ihre Stelle treten unter andern folgende Bestimmungen: Bayern behält seine Militärgesetze, Verordnungen, Reglements etc. bis zur Aufhebung im Wege der Reichsgesetzgebung sowie die Selbständigkeit der Heeresverwaltung; das bayrische Heer steht unter dem Oberbefehl des Königs, im Kriege (und zwar mit Beginn der noch vom König anzuordnenden Mobilisierung) unter dem Oberbefehl des Kaisers. Während sonach in Bayern die Bestimmungen der Reichsverfassung grundsätzlich ausgeschlossen sind, gehen die M. mit Sachsen vom 7. Febr. 1867 und mit Württemberg vom 21./25. Nov. 1870 grundsätzlich von den Bestimmungen der Reichsverfassung aus und schaffen nur in einzelnen Beziehungen Ausnahmen, die den besondern Verhältnissen beider Staaten entsprechen. Der Höchstkommandierende wird in Sachsen vom Kaiser auf Vorschlag des Königs, in Württemberg vom König nach Zustimmung des Kaisers ernannt. In Friedenszeiten ist die Dislokation fremder Truppen in beide Staaten sowie die Dislokation sächsischer und württembergischer Truppen in andre Bundesstaaten von besonderer Vereinbarung abhängig und die Bestimmung der Garnisonen innerhalb des Staatsgebietes den Landesherren überlassen. Letztern ist auch in erster Linie die Abstellung etwa bemerkter Mängel vorbehalten.

B. Die M. mit den sonstigen Bundesstaaten enthalten einen freiwilligen Verzicht der letztern auf die Ausübung der meisten nach der Reichsverfassung ihnen zustehenden militärischen Hoheitsrechte (insbes. auf die Verwaltung ihrer Kontingente, auf die Ernennung der Offiziere und Beamten) zugunsten des Königs von Preußen, während den Landesherren nur gewisse Ehrenrechte vorbehalten bleiben. Auch hier sind zwei Gruppen zu unterscheiden: die erste Gruppe umfaßt die M. mit Baden vom 25. Nov. 1870, mit Hessen vom 13. Juni 1871, mit Mecklenburg-Schwerin vom 24. Juli 1868 und 19. Dez. 1872, mit Mecklenburg-Strelitz vom 9. Nov. 1868 und 23. Dez. 1872, mit Oldenburg vom 15. Juli 1867, mit Braunschweig vom 9. und 18. März 1886, mit den thüringischen Staaten (Sachsen-Weimar, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Koburg-Gotha, Schwarzburg-Rudolstadt, Reuß ä. L. und Reuß j. L.) vom 15. Sept. 1873 und mit Anhalt vom 16. Sept. 1873. Die Kontingente dieser Staaten sind nur nach preußischem Muster reorganisiert und in den Verband der preußischen Armee aufgenommen worden; die Regimenter werden nach den Staaten, denen sie angehören, benannt, tragen am Helm Landeswappen und Landeskokarde, ergänzen sich vorzugsweise aus den Wehrpflichtigen der betreffenden Staaten und haben Garnisonen in diesen erhalten. In den größern Staaten (Baden, [822] Hessen, Mecklenburg, Braunschweig) bilden die Kontingente ein geschlossenes Ganze, in Baden ein Armeekorps, in Hessen eine Division; in den kleinern Staaten (Oldenburg, thüringische Staaten, Anhalt) sind nur besondere Infanterieregimenter gebildet, während die für die übrigen Waffengattungen ausgehobenen Wehrpflichtigen in preußische Truppenteile eingestellt werden.

Die zweite Gruppe umfaßt die M. mit Schwarzburg-Sondershausen vom 17. Sept. 1873, mit Waldeck vom 24. Sept. 1877, mit Schaumburg-Lippe vom 25. Sept. 1873, mit Lippe vom 14. Nov. 1873, mit Lübeck vom 27. Juni 1867, mit Bremen vom 27. Juni 1867 und mit Hamburg vom 23. Juli 1867. Die Heeresformationen dieser Staaten wurden vollständig aufgelöst; die Staaten sind gleichsam in militärischer Hinsicht Preußen einverleibt, die Wehrpflichtigen werden in preußische Truppenteile eingestellt. Die M. sind abgedruckt in dem Werk »Die Militärgesetze des Deutschen Reiches, mit Erläuterungen« (neue Bearbeitung, Berl. 1888, Bd. 1, S. 55 ff.). Vgl. Laband, Staatsrecht des Deutschen Reichs, Bd. 2 (4. Aufl., Freiburg 1901); K. Gümbel in den »Annalen des Deutschen Reichs«, 1899, S. 182 ff.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 822-823.
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