Oncken

[61] Oncken, 1) Johann Gerhard, der Begründer der Baptistengemeinden in Deutschland, geb. 26. Jan. 1800 in Varel, gest. 2. Jan. 1884 in Zürich, ging 1814 als Lehrling eines schottischen Kaufmannes nach Leith, 1823 als Evangelist der independentistischen Continental Society nach Hamburg. Hier trat er 1828 in den Dienst der Edinburger Bibelgesellschaft, ließ sich 1834 von dem amerikanischen Baptisten Sears taufen und trat mit sechs andern zu der Gemeinde getaufter Christen zusammen. Diese Gemeinde bildete den Ausgangspunkt der baptistischen Mission in Deutschland und blieb bis nach dem deutsch-französischen Krieg, in dem O. sich durch Verteilung von Bibeln und Traktaten verdient machte, ihr Mittelpunkt. Die Dezentralisation der baptistischen Bewegung erkannte O. 1876 nur widerwillig an. Sein christliches Verlagsgeschäft vermachte er 1878 dem Baptisten bunde als Missionsunternehmen.

2) Wilhelm, Geschichtsforscher, geb. 19. Dez. 1838 in Heidelberg, gest. 11. Aug. 1905 in Gießen, studierte in Heidelberg, Göttingen und Berlin, habilitierte sich 1862 für Philologie und Geschichte in Heidelberg, ward 1866 außerordentlicher Professor daselbst und 1870 ordentlicher Professor der Geschichte an der Universität Gießen; seit 1873 hessischer Landtagsabgeordneter für die Stadt Gießen, war er 1874–76 Mitglied[61] des deutschen Reichstags. Er schrieb: »Athen und Hellas« (Leipz. 1865–66, 2 Tle.); »Stadt, Schloß und Hochschule Heidelberg« (3. Aufl., Heidelb. 1885); »Die Staatslehre des Aristoteles« (Leipz. 1870–75, 2 Tle.); »Österreich und Preußen im Befreiungskrieg« (Berl. 1876–79, 2 Bde.); »Unser Heldenkaiser« (das. 1897) und gab »Häussers Geschichte des Zeitalters der Reformation« (3. Aufl. 1903) heraus. 1877 unternahm er die Herausgabe einer »Allgemeinen Geschichte in Einzeldarstellungen«, für die er selbst »Das Zeitalter Friedrichs d. Gr.« (Berl. 1881–83, 2 Bde.), »Das Zeitalter der Revolution, des Kaiserreichs und der Befreiungskriege« (das. 1885–87, 2 Bde.) und »Das Zeitalter des Kaisers Wilhelm I.« (das. 1890 bis 1891, 2 Bde.) schrieb. Das Gesamtwerk erschien in 5 Hauptabteilungen oder 44 Bänden.

3) August, Nationalökonom, Bruder des vorigen, geb. 10. April 1844 in Heidelberg. studierte in München, Heidelberg und Berlin, lebte 1865–71 als Grundbesitzer im Großherzogtum Oldenburg und habilitierte sich 1872 an der Hochschule für Bodenkultur in Wien. 1877 wurde er als Professor der Nationalökonomie an das Polytechnikum zu Aachen, von da 1878 an die Universität zu Bern berufen. Er schrieb: »Untersuchung über den Begriff der Statistik« (Leipz. 1870); »Die Wiener Weltausstellung 1873« (Berl. 1873); »Adam Smith in der Kulturgeschichte« (Wien 1874); »Österreichische Agrarier« (das. 1877); »Adam Smith und Immanuel Kant« (Leipz. 1877, Bd. 1); »Der ältere Mirabeau und die Ökonomische Gesellschaft in Bern« (Bern 1886); »Die Maxime Laissez faire et laissez passer« (das. 1886); »Die schweizerische Konsularreform« (das. 1887); »Was sagt die Wissenschaft über die Bedeutung hoher und niedriger Getreidepreise« (Berl. 1901); »Geschichte der Nationalökonomie« (1. Teil, Leipz. 1902); die Biographie »Lasalle« (Stuttg. 1904) und gab die »ll:uvres économiques et philosophiques« von F. Quesnay heraus (Par. u. Frankf. a. M. 1888).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 61-62.
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