Safařik

[411] Safařik (spr. scháfarschīk, Schafarik), Pavel Josef, berühmter tschech. Gelehrter, geb. 13. Mai 1795 zu Kobelárowa im ungar. Komitat Gömör, gest. 26. Mai 1861 in Prag, studierte 1810–15 auf dem Lyzeum in Kesmark Theologie, sammelte frühzeitig slowakische Volkslieder (gedruckt Pest 1823–27) und schrieb für tschechische Zeitschriften. Seit 1815 widmete er sich in Jena neben seinem theologischen Fachstudium der Philologie, Geschichte und Philosophie und übersetzte die »Wolken« des Aristophanes und Schilters »Maria Stuart« ins Tschechische. 1817 nahm er eine Hauslehrerstelle in Preßburg an und wurde 1819 Gymnasialdirektor in Neusatz. Hier beschäftigte er sich eifrig mit dem Studium der südslawischen Literaturen und vergleichender Grammatik. Da ihm jedoch seine Stellung durch widrige Verhältnisse verleidet wurde, siedelte er 1833 nach Prag über, wo ihm Palacký, Jungmann, Presl u.a. durch freiwillige Beiträge eine bescheidene Einnahme für fünf Jahre sicherten. In den beiden nächsten Jahren verfaßte er sein Hauptwerk, die »Starožitnosti slovanské« (s. unten). 1837 erhielt er das Amt eines Zensors und übernahm gleichzeitig die Redaktion der Zeitschrift des böhmischen Museums. Inzwischen hatten seine Forschungen großes Aufsehen erregt. Nachdem er bereits 1836 eine Berufung nach Moskau erhalten, wurde ihm 1840 die slawische Lehrkanzel an der Berliner oder Breslauer Universität angeboten. Er hielt sich jedoch für verpflichtet, in Prag zu bleiben, und wurde 1841 zum Kustos an der Prager Universitätsbibliothek ernannt. 1848 erhielt er die auf seinen Vorschlag an dieser Universität errichtete Professur der slawischen Philologie, die er jedoch schon im folgenden Jahre wieder aufgab; das Zensoramt hatte er bereits 1847 niedergelegt. Er teilte nun seine Zeit zwischen wissenschaftlichen Arbeiten und seinem Bibliothekaramt, das ihm indessen bis zu dem Grade verleidet wurde, daß man ihn verdächtigte, die Bibliothek durch gänzliche Unordnung zu ruinieren. Obschon ihn die amtliche Untersuchung vollkommen rechtfertigte, wurde doch durch diese Angelegenheit und vielleicht mehr noch durch Familienunglück sein Gemüt umdüstert. Am 23. Mai 1860 stürzte er sich in die Moldau, wurde zwar gerettet, starb jedoch bereits nach Verlauf eines Jahres. Sein Hauptwerk, die »Starožitnosti slovanské« (»Slawische Altertümer«, Prag 1837; 2. Ausg., von J. Jireček 1863), das alsbald in mehrere fremde Sprachen übersetzt wurde (deutsch, Leipz. 1843–44), bekundet eine außergewöhnliche Bildung und galt lange Zeit als die maßgebende Quelle für die Urgeschichte der slawischen Völker bis zum 10. Jahrh. Durch seine »Počátkové staročeské mluvnice« (»Anfangsgründe der alttschechischen Grammatik«, Prag 1845) wurde er für die tschechische Grammatik epochemachend. Sonst sind noch zu erwähnen: »Geschichte der slawischen Sprache und Literatur« (Ofen 1826; 2. Abdruck, Prag 1869); »Slovanský národopis« (»Slawische Ethnographie«, Prag 1812, 3. Aufl. 1849); »Serbische Lesekörner« (Pest 1833); »Die ältesten Denkmäler der böhmischen Sprache« (mit Palacký, Prag 1840); »Památki dŕevniho pisemnictví jihoslovanův« (»Denkmäler des alten Schrifttums der Südslawen«, das. 1853, 2. Ausg. 1873); »Památki hlaholského pisemnictví« (»Denkmäler des glagolitischen Schrifttums«, das. 1853); »Glagolitische Fragmente« (mit Höfler, das. 1857); »Über die Heimat und den Ursprung des Glagolitismus« (das. 1858); »Geschichte der südslawischen Literatur« (aus dem Nachlaß hrsg. von J. Jireček, das. 1864–65, 3 Bde.). Die 1861 in Prag begonnene Ausgabe seiner »Sebrané spisy« (»Gesammelte Werke«) ist nicht zu Ende geführt worden. Biographien Sasaříks schrieben sein Schwiegersohn Josef Jireček (s. d. 1) in der »Österreichischen Revue« (Bd. 8, 1865) und sein Sohn Vojtěch S. (geb. 26. Okt. 1829 in Neusatz), Professor der Chemie an der tschechischen Universität in Prag, in der tschechischen Enzyklopädie: »Slovník nauĕný« (Bd. 9, Prag 1872).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 411.
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