Scarron

[658] Scarron (spr. -rong), Paul, franz. Dichter und Schriftsteller, geb. 4. Juli 1610 in Paris, gest. daselbst 16. Okt. 1660, wurde früh Abbé und erhielt auf einflußreiche Fürsprache eine Pfründe. Ein Karnevalscherz zog ihm 1638 eine Krankheit zu, die ihm dauernd Hände und Füße lähmte. Mit seltener Charakterstärke trug er jedoch sein Schicksal, bewahrte seine heitere Laune und widmete sich in Paris einer poetischen Produktion der launigsten Art, wobei ihm seine Kenntnis der italienischen und spanischen Literatur sehr zustatten kam. In seiner Mittellosigkeit um eine Pension nachsuchend (da seine Stiefmutter ihn um sein väterliches Erbe betrogen hatte), ward er durch eine Hofdame der Königin vorgestellt, und es wurde ihm von dieser die sonderbare Gnadenerweisung zuteil, sich fortan »Von Gottes Gnaden Kranker der Königin« nennen zu dürfen, ein Titel, dem er später noch den eines »Paladins der Königin Christine«, die ihn besucht hatte, hinzufügte. Da Mazarin die Widmung des komischen Gedichts »Le Typhon, ou la Gigantomachie« (1644; deutsch von Schwetschke, Halle 1856) unbeachtet ließ, trat er zur Fron de über und züchtigte ihn in dem scharfen Pamphlet »Mazarinade« (1649). Ein wirklich verdienstvolles Werk ist der (unvollendet gebliebene) »Romant comique« (1651–57, 2 Bde.; neue Ausg. 1904; deutsch von Saar, Stuttg. 1887, 3 Bde.), der in ergötzlicher Weise das Leben wandernder Schauspieler und die Torheiten der kleinstädtischen Gesellschaft schildert. Er enthält vier aus dem Spanischen übertragene Novellen und wurde von Lafontaine 1684 dramatisiert. Großen Beifall fanden auch beim Publikum seine meist spanischen Mustern nachgebildeten Komödien: »L'héritier ridicule«, »Jodelet«, »Don Japhet«, »L'écolier de Salamanque«, »Le marquis ridicule« u.a., ganz besonders aber seine (unvollendete) Travestie des Vergil (1648-[658] 1653, zuletzt 1876), witzig und unterhaltend, zuweilen aber abstoßend. 1652 verheiratete sich S. mit Fräulein d'Aubigné, der spätern Marquise de Maintenon (s. d.), nachdem er seine Pfründe verkauft hatte. Um seiner Bedrängnis abzuhelfen, bemühte er sich, durch Lobgedichte und Bettelschriften an hohe Gönner sich Geld zu verschaffen. Seine »Œuvres complètes« wurden herausgegeben von Bruzen de la Martinière (Amsterd. 1737, 10 Bde.; 1786, 7 Bde.), von Baumet (Par. 1877, 2 Bde.); einen Band »Scarroniana« stellte Cousin d'Avallon (das. 1801) zusammen. Vgl. Christian, Etude sur S. (Par. 1841); Morillot, S. et le genre burlesque (das. 1888); Boislisle, Paul S. et Françoise d'Aubigné (das. 1894); Chardon, S. inconnu (das. 1904, 2 Bde.); E. Magne, S. et son milieu (das. 1905).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 658-659.
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