Schulpflicht, allgemeine

[69] Schulpflicht, allgemeine. Als Ideal und allmählich als selbstverständliche Voraussetzung ist seit der Reformation in Deutschland anerkannt, daß jeder Untertan oder Staatsbürger verpflichtet sei, seine Kinder zur Schule anzuhalten. Doch konnte erst Ernst damit gemacht werden, seit die Möglichkeit des allgemeinen Schulbesuches durch das Vorhandensein ausreichender Schulen in den meisten Ortschaften Deutschlands gegeben war. Daher seit dem 17. und mehr noch im 18. Jahrh. der Grundsatz der allgemeinen Schulpflicht nach und nach in allen deutschen Gebieten auch gesetzlich formuliert ward (Schul zwang). Er verlangt, daß jedes Kind im Schulalter die öffentliche Volksschule regelmäßig besucht, bis es deren Ziele nach Maßgabe der persönlichen Anlagen erreicht hat, sofern nicht nachweislich anderweit für entsprechende Schulbildung des Kindes gesorgt ist. Nicht zuerst in Deutschland, aber mit. besonderm Nachdruck ging seit Friedrich Wilhelm I. (Principia regulativa, 1717) die brandenburgisch preußische Regierung auf diesem Wege vor. Im 19. Jahrh. hat die a. S., von Deutschland ausgehend, fast die ganze zivilisierte Welt erobert. Begrenzt wird sie meist auf die Zeit vom vollendeten 6. bis zum vollendeten 14. oder auch 12. Lebensjahre. Gegen säumige Eltern oder Vormünder steht überall der vorgesetzten Staats- oder Gemeindebehörde das Recht zu, Geld- oder in ernstern Fällen Haftstrafe je nach den geltenden Vorschriften zu verhängen. Wo die Verpflichteten sich der Mitwirkung beharrlich entziehen oder ihr Einfluß auf die Kinder versagt, kann polizeiliche Zuführung, im äußersten Falle Entziehung der elterlichen Gewalt und Fürsorge- oder Zwangserziehung (s. d.) vom zuständigen Gerichte verfügt werden. Auch auf die Hilfsschulen (für schwachbegabte Kinder; s. d.) sowie auf Taubstummen- und Blindenanstalten (s. d.) erstreckt sich die a. S. Ferner kann sie im Deutschen Reich staats- oder gemeindeweise auf Fortbildungsschulen (s. d.) ausgedehnt werden, was besonders für gewerbliche Fortbildungsschulen immer mehr geschieht.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 69.
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