Steinschnitt [2]

[914] Steinschnitt (Blasensteinschnitt, Lithotomie), die kunstmäßige Eröffnung der Harnblase oder ihres Halses zur Entfernung von Harnsteinen. Die Operation wurde bereits bei den alten Ägyptern ausgeführt, und im Mittelalter befaßten sich besonders eingeübte Steinschneider damit, bis im 16. und 17. Jahrh. die Technik wesentlich verbessert wurde. Von den verschiedenen Methoden ist am gebräuchlichsten der hohe S. oder Bauchblasenschnitt, von Franco 1561 erfunden, bei dem die Blase zwischen dem obern Rande der Schambeine und der Falte des die Blase überziehenden Bauchfelles eröffnet wird. Nach Entfernung des oder der Steine wird die Blase und die äußere Wunde wieder vernäht. Ausgeführt wird die Methode besonders bei sehr großen und harten Steinen, die durch die Lithotripsie nicht beseitigt werden können. Seltener wird der Seitensteinschnitt vom Damm aus angewandt, und der S. durch den Mastdarm ist völlig verlassen. Der S. wird bei Weibern seltener notwendig als bei Männern; einmal, weil Steine bei jenen überhaupt viel seltener sind, anderseits, weil nicht zu große Steine bei ihnen durch die kurze, gerade und sehr dehnbare Harnröhre leicht abgehen oder doch ausgezogen oder zerstückelt (s. unten) werden können. Beim Weib wird der Schnitt entweder unterhalb des Schambogens mit Einschneidung der Harnröhre und des Blasenhalses oder unterhalb der Schamfuge ohne Verletzung der Harnröhre geführt, oder es wird die Harnblase von der Scheide aus oder endlich oberhalb des Schambogens, wie beim Mann, geöffnet. – Bei der Steinzermalmung (Steinzertrümmerung, Lithotritie, Lithotripsie, Litholapaxie) werden mittels in die Harnblase eingebrachter Werkzeuge die Steine zerstückelt, so daß sie mit dem Spülwasser, das zu diesem Zweck in die Blase eingelassen wird, abgehen. Dieses Verfahren, schon früher vorgeschlagen, wurde in neuester Zeit besonders durch Bigelow (New York) und den Engländer Thompson durch Erfindung passender Instrumente in Aufnahme gebracht. Man sucht durch ein zweiarmiges Instrument, das geschlossen in die Harnröhre eingeführt, durch Zurückziehen des einen Armes geöffnet und dann wieder geschlossen wird, den Stein zu fassen und zu zerdrücken. Die Anwendung der Lithotripsie ist wesentlich angezeigt bei kleinen und weichen Steinen. Bei Kranken, die an Blasenkatarrh, Nierenaffektion etc. infolge der Steine leiden, wird der S. vorgezogen. Vgl. Thompson, Die Krankheiten der Harnwege (deutsch, Münch. 1889) und Lithotomie und Lithotripsie (deutsch, Kassel 1885); Guyon, Die Technik der Lithotripsie (deutsch von Berg, Wiesbad. 1903) und Literatur bei Harnblase und Harnsteine.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 914.
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