Trypanosōma

[761] Trypanosōma, spiralig gewundene (daher der Name) Mikroorganismen aus der Ordnung der Geißeltierchen (Flagellaten), besitzen fischartige Gestalt mit undulierender Membran längs der einen Körperseite und einer Geißel, deren Wurzel (Zentrosom) im hintern Körperdrittel liegt, während das vordere Körperdrittel einen Kern besitzt. T. – Arten leben in der Blutflüssigkeit niederer und höherer Wirbeltiere und zeigen lebhafte Bewegung. Die Fortpflanzung geschieht unter Benutzung von Zwischenwirten. Als solche sind bei den Rattentrypanosomen (T. Lewisi) Flöhe und Wanzen bekannt, bei andern Arten Fliegen und Mücken, in deren Darmkanal sich ein wesentlicher Teil der Fortpflanzung abspielt. Viele T. – Arten erzeugen bei ihren Wirten durch Zerstörung der roten Blutkörperchen schwere Krankheiten, die jedoch erst allmählich gefährliche Form annehmen und lange Zeit unter unbestimmtem, lange aussetzendem Fieber ohne auffällige Erscheinungen bestehen können, bis sie durch zunehmende Blutarmut und allgemeine Schwäche zum Tode führen. Beim Menschen erzeugt T. gambiense (ugandense), das durch eine Stechfliege (Glossina palpalis), vielleicht auch durch Mücken- (Culex-) Arten übertragen wird, die Schlafkrankheit (s. d.). Auch die Aleppobeule und die indische Splenomagalie (Kala-azár) werden durch Trypanosomen hervorgebracht. Letztere verläuft unter Fieber, Blutarmut, mächtiger Vergrößerung von Leber und Milz etc. in einigen Monaten oder langsamer tödlich. Die in ganz Afrika verbreitete Tsetsekrankheit wird durch T. Brucei (s. Abbildung, S. 762) erzeugt und durch die Tsetsefliege (Glossina morsitans) übertragen. Die Fliege saugt das Blut kranker Tiere, nimmt dabei Trypanosomen auf und überträgt sie, indem sie gesunde[761] Tiere sticht. Empfänglich sind Pferde (der Esel soll immun sein), Rinder, Hunde und kleine, wild lebende Wiederkäuer. Der Mensch soll unempfänglich sein. Die Fliege lebt besonders in tief liegenden Landstrichen. Ein Nachtmarsch durch solche Distrikte ist ungefährlich, da die Fliege nur am Tage schwärmt.

Trypanosoma Brucei. Stark vergrößert.
Trypanosoma Brucei. Stark vergrößert.

Die Krankheit verläuft unter Fieber, Schwäche, Blutarmut und Abmagerung und führt schnell oder langsam zum Tod. In Westafrika heißt die Krankheit Nagana. In Togo soll Schilling 1905 ein Mittel entdeckt haben, die Rinder zu immunisieren. Sehr ähnlich ist die Surrakrankheit in Niederländisch-Indien, Indochina und auf den Philippinen. Sie befällt Pferde, Maultiere, Esel, Kamele, Elefanten, weniger Rinder und Büffel und wird hervorgebracht durch T. Ewansi, das durch Bremsen, Tabanus tropicus und T. lineola, auch durch die Stechfliege Stomoxys calcitrans während der heißen Periode und der Regenzeit übertragen wird. Auch der Mensch soll von Surrakrankheit befallen werden. Ebenfalls eine Trypanosomiasis ist das Mal de caderasKrankheit der Hinterhand«) der Pferde in Südamerika und Südafrika, bei der die Schwäche durch Blutarmut sich besonders in Lähmung der Hinterbeine zeigt; auch bilden sich Quaddeln auf der Haut. Als Erreger wird T. equinum, als Übertrager Stomoxys calcitrans genannt. In Nordafrika, Indien und Europa sind seit langem zwei Pferdekrankheiten bekannt, die Dourine und die Beschälseuche, die man für identisch gehalten hat. Die in Deutschland, namentlich aber in Ungarn und Rußland herrschende Beschälseuche galt als Rückenmarks-, bez. Nervenerkrankung, bei der Dourine sind aber einwandfreie Trypanosomen im Blut nachgewiesen worden, und die Lähmungen sind auch hier eine Schwächeerscheinung. Es ist anzunehmen, daß auch die Beschälseuche eine Trypanosomiasis ist. In Rußland sind Hengste erfolgreich mit Arsen behandelt worden, und auch bei der Schlafkrankheit hat man Arsen mit Erfolg angewandt. Im Blut einheimischer Vögel, besonders der Eulen, beim Hecht, der Karausche, dem Schlammpitzker und andern Fischen sind ebenfalls Trypanosomen nachgewiesen worden. Ob die genannten Trypanosomen artverschieden sind, ist noch zweifelhaft, die Ähnlichkeit im Auftreten und im Verlauf der Krankheiten spricht für die Identität der Erreger, manches andre dagegen. Vgl. Artikel »Fischkrankheiten« und Bradford und Plimmer, The T. Brucei (Lond. 1902); Doflein und Prowazek, Die pathogenen Protozoen (im »Handbuch der pathogenen Mikroorganismen«, hrsg. von Kolle und Wassermann, Jena 1903); Martini, Insekten als Krankheitsüberträger (Berl. 1904); Laveran und Mesnil, Trypanosomes et trypanosomiases (Par. 1904); Schaudinn, Generations- und Wirtswechsel bei T. und Spirochaete (in den Arbeiten aus dem kaiserlichen Gesundheitsamt, Bd. 20, 1904); Koch, Über die Trypanosomenkrankheiten (in der »Deutschen medizinischen Wochenschrift«, 1904).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 761-762.
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