Vespasiānus

[126] Vespasiānus, Titus Flavius, röm. Kaiser, geb. 9 n. Chr. auf einem Landgut bei Reate aus einfacher Familie, wurde, nachdem er sich mehrfach im Heer ausgezeichnet hatte und 51 Konsul gewesen war, 66 von Nero zum Oberbefehlshaber im jüdischen Krieg ernannt und führte diesen Krieg 67–69 mit so glücklichem Erfolg, daß im Sommer 69 das ganze Land mit Ausnahme der Hauptstadt Jerusalem unterworfen war. Nach dem Sturze Veros wurde er 1. Juli 69 von den Legionen in Ägypten, 3. Juli von seinen eignen Legionen zum Kaiser ausgerufen, denen sich sofort die Legionen in Syrien unter Mucianus und bald darauf die an der Donau anschlossen. Gemäß dem zwischen V. und Mucianus vereinbarten Feldzugsplan sollte Titus die Belagerung Jerusalems übernehmen, V. nach Ägypten gehen, um die Kornkammer Italiens in seiner Hand zu haben und später zur See überzusetzen, Mucianus den Weg zu Lande zurücklegen, um die Donaulegionen an sich zu ziehen. Doch kam ihnen der unruhige Antonius Primus mit den pannonischen und mösischen Legionen zuvor; er schlug die Vitellianer bei Cremona und eroberte Rom, wobei Vitellius selbst umkam, so daß V. der Einzug in das bis zu seiner Ankunft von Mucianus verwaltete Rom offen stand. Er bewahrte sich auch als Kaiser dieselbe Einfachheit, Natürlichkeit und Gleichgültigkeit gegen den äußern Schein, die ihn als Privatmann vor seinen Standesgenossen ausgezeichnet hatte, und war mit der strengsten Pflichttreue bemüht, durch Herstellung der Zucht im Heere, durch Erhaltung des Friedens, durch eine gewissenhafte Rechtspflege und durch Ordnung der Verwaltung, insbes. der Finanzen, die Wunden zu heilen, welche die Bürgerkriege dem Reiche geschlagen hatten. Seine Regierung war daher durch keine Kriege ausgezeichnet, ausgenommen die in Britannien, gegen die Bataver unter Civilis und gegen die Sarmaten, die ihm seine Vorgänger hinterlassen hatten; dagegen verlieh er ungeachtet seiner Sparsamkeit durch großartige Bauten, insbes. durch den Wiederaufbau des Kapitols, durch den Tempel des Friedens, der 75 vollendet wurde, und durch das Amphitheatrum Flavium, das später so genannte und noch jetzt in seinen Trümmern bewunderte Kolosseum, seinem Namen einen besondern Glanz. Er starb 23. Juni 79. Eine charakteristische Büste von ihm steht in Neapel.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 126.
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