Villena, Enrique de

[169] Villena, Enrique de (spr. wiljēna), Urenkel des Infanten Peter von Aragon und Enkel des ersten Markgrafen von V. (weshalb er häufig fälschlich E. de Aragon und Marques de V. genannt wird), berühmter altspan. Gelehrter, der Sage nach Feudalherr des Macías, Zeitgenosse und Freund von Mena und Santillana, wie beche ein eifriger Anwalt der Escuela alegorica dantesca und künstlicher Latinisierung der Literärsprache, geb. 1384, gest. 15. Dez. 1434, zeigte schon früh eine glühende Liebe zu gelehrten Studien und erwarb sich in fast allen Zweigen des damals bekannten Wissens außerordentliche Kenntnisse. Als Verwandter der kastilischen und aragonischen Königsgeschlechter hielt er sich bald an dem einen, bald an dem andern Hofe auf. Durch einen Gewaltstreich beraubte ihn Heinrich III. von Kastilien seiner Grenzgüter, bewirkte aber später seine Erwählung zum Großmeister des Ordens von Calatrava (1402), in welcher Eigenschaft V. kurze Zeit tätigen Anteil an den politischen Ereignissen nahm. Unter dem Vorwand, seine Wahl sei nicht regelrecht erfolgt, wurde der unpraktische V. jedoch von den Rittern seiner Würde wieder entsetzt (1414) und geriet in eine bedrängte Lage. Die Regentschaft von Kastilien verlieh ihm zur Entschädigung für seine Verluste die Herrschaften Iniesta und Torralva, wo er den Rest seines Lebens in Zurückgezogenheit verlebte. Seine kostbare Büchersammlung ließ Johann II. verbrennen, darunter vermutlich die Werke Villenas selbst, besonders die poetischen. Da er sich mit Alchimie und Astrologie beschäftigte und viele arabische und hebräische Manuskripte besaß und las, war er nämlich in den Ruf eines Zauberers gekommen. Nach dem Vorbilde der Blumenspiele von Toulouse (s. Jeux floraux) restaurierte er 1412 in Barcelona das in Verfall geratene Consistorio de la gaya ciencia. Großen Einfluß übte er auf die Ausbildung der höfischen Dichterschule des 15. Jahrh. aus durch seine im Geiste des spätprovenzalischen Minnegesanges abgefaßte Poetik: »Arte de trobar«, die nur in Bruchstücken in Mayans y Siscars »Orígines de la lengua española« (Madr. 1737) auf uns gekommen ist. Seine gedruckten Werke bestehen in einer Abhandlung über die Vorschneidekunst (»Arte cisoria«, Madr. 1766 u. 1879, hrsg. von F. B. Navarro, mit ausführlicher Biographie etc.); einer Erzählung in Prosa von den Taten des HerkulesLos trabajos de Hercules«, Zamora 1483 und 1499, sehr selten). Handschriftlich erhalten (in der Nationalbibliothek von Madrid und im Escorial) sind ferner: ein »Tratado de la consolacion«, »El libro de la lepra« und »El libro del aojamiento« sowie eine Prosaübersetzung der Äneis, und Teile der »Divina commedia«. V. als Zauberer ist Gegenstand von Märchen, Sagen und Dramen geworden. Vgl. E. Dorer, Heinrich von V., ein spanischer Dichter und Zauberer (in Herrigs »Archiv für das Studium der neuern Sprachen«, Bd. 79, Braunschw. 1887); Cotarelo, Vida y obras de D. Enrique de V. (Madr. 1896). Derselbe veröffentlichte darin eine »Epistola a Suero de Quiñones«.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 169.
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