Waldeck [3]

[327] Waldeck, Benedikt Franz Leo, preuß. Politiker, geb. 31. Juli 1802 in Münster, gest. 12. Mai 1870 in Berlin, stand im Justizdienst und war Obertribunalsrat, als er 1848 in die preußische Nationalversammlung gewählt wurde. Als Führer der äußersten Linken und als Präsident des Verfassungsausschusses entfaltete W. eine außerordentliche Tätigkeit, so daß die Verfassung, auch in der oktroyierten Form, wesentlich als sein Werk galt und »die Charte W.« genannt wurde. Er nahm am Steuerverweigerungsbeschluß teil, unterzeichnete die Proklamation an das Volk vom 27. Nov. nach der Sprengung der Nationalversammlung und verfaßte die Anklageschrift auf Hochverrat gegen das Ministerium Brandenburg-Manteuffel. Nach Eröffnung des Landtags 1849 wurde W. 16. Mai plötzlich verhaftet, und zwar auf Grund eines gefälschten Briefes des in die Schweiz entflohenen Abgeordneten D'Ester an einen jüdischen Handlungsdiener, Ohm, worin W. als Eingeweihter in gewisse hochverräterische Pläne bezeichnet war. Am 7. Dez. durch die Geschwornen freigesprochen, kam W. 1860 wieder in das Abgeordnetenhaus und war einer der schlagfertigsten Führer der Fortschrittspartei. Namentlich in der Zeit des Verfassungskonflikts 1862–1866 spielte er eine hervorragende Rolle. Während er 1866 für die Annexionen stimmte, erklärte er sich auf dem norddeutschen Reichstag gegen die Bundesverfassung, gab aber 1869 wegen Kränklichkeit seine parlamentarische Tätigkeit auf. 1889 ward sein Marmorstandbild auf dem ehemaligen Jakobikirchhof (Oranienstraße) in Berlin enthüllt. »Briefe und Gedichte« von W. gab Schlüter heraus (Paderb. 1883). Vgl. Eberty, Waldeck. ein Lebensbild (Berl. 1869); Oppenheim, Benedikt Franz Leo W., der Führer der preußischen Demokratie (2. Ausg., das. 1880).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 327.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: